Jurek-Miramasiel-Chronik

Aus Trigardon
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Chronik Trigardons - Vom Ende des letzten großen Stammeskrieges bis zum Frieden der Stämme


Zusammengetragen und niedergeschrieben von Jurek anh Rhack und Miramasiel anh Joscha. Abschrift vom 9. Sion der 1. Sina 28 n. K.



Erstes Kapitel: Vom letzten groszen Stammeskrieg

§ I Der Krieg der Krieger

Willkommen in Trigardon, Freunde, hier ist das Leben wenig wert, der Krieg tobt immerdar! So schrieb der arbonische Händler Galfir im Jahre 19 n. K. an seine Geschäftspartner – im Frieden! Dass die Straßen und Handelswege des Reiches unsicher sind, war zu dieser Zeit hinlänglich bekannt, jedoch befanden sich die Stämme seit mehr als einer halben Generation im Waffenstillstand, von Krieg konnte also 19 n. K. keine Rede sein. Warum also eine Sicht von Trigardon, die nicht nur von den Handelspartnern eines unbedeutenden Krämers geteilt wurde, sondern des Reiches Ruf noch heute zu beschreiben scheint? Für jene, die sich mit Religion, Kultur und Geschichte Trigardons befassen, ist die Antwort auf diese Frage omnipräsent: Die extreme Armut an schriftlichen Überlieferungen aller Art ist auffallend und die historisch gesicherte Geschichtsschreibung des Klerus setzt erst kurz vor dem Ende eines Ereignisses ein, welches in seiner die Seele, den Geist und das Land des Volkes zerstörenden Natur die Trigardoner maßgeblich geprägt hat: Dem letzten groszen Stammeskrieg. „Groß“ wird dieser Krieg genannt wegen seiner Grausamkeit, den „letzten“ Stammeskrieg nennt man ihn, da mündlichen Überlieferungen zufolge und vor allem wegen entsprechend signifikanten Passagen des Heiligen Buches der Götter davon ausgegangen werden muß, daß Arbonier und Flutländer schon früher erbitterte Kriege gefochten haben. Um also eine historische Chronologie der Ereignisse in Trigardon aufzustellen, stellt diese Zäsur den einzig möglichen Einstieg dar. Da es niemanden gab, der sich noch während dieses eine Generation zurückliegenden Krieges daran erinnern konnte, wie er zum Ausbruch kam, wird er länger als ein Menschenalter angedauert haben. Nicht nur das Wissen um Trigardons Kultur ging darin so sehr verloren, dass schließlich der Stammeskrieg mit der Stammestradition gleichgesetzt wurde, auch müssen die Zahlen der Opfer so hoch gewesen sein, daß „in einem Jahre mehr getötet wurden, als im Jahre danach geboren werden konnten(...)“. Dementsprechend lauten die ersten Verse eines gebräuchlichen siebenfaltigen Gebetes auch: „Oh Riasion, strahlende Sonne, / Oh Riasina, Göttin des Mondes, / Zerstritten wie Ihr, ob Tag oder Nacht, / So tief liegt der Haß unserer Stämme! (...)“. Der Verlauf dieses generationenlangen Stammesgemetzels ist nur sehr lückenhaft dokumentiert, jedoch schienen in der Anfangsphase zwei etwa gleichstarke Mächte gegeneinander gekämpft zu haben; gegen Ende gewannen aber die Arbonier die Oberhand, was sicher auf die besseren landwirtschaftlichen Bedingungen zurückzuführen ist, die das Längstal von Arbon im Süden des Reiches auch heute noch zur Kornkammer Trigardons machen. Die Flutländer konnten letztlich nichts daran ändern, daß ihnen nur die Sümpfe und Wälder der alten Reiche, die vornehmlich vom kleinen Volk und den Halbmenschen bewohnt wurden, ferner die Berge von Nordern als Stammesgebiet blieben. Im Übrigen wurden selbst Gebiete im Süden der heutigen Grafschaft Dunkelwald von den Arboniern erobert. Die damalige Kriegsführung unterschied sich sehr stark von dem modernen System offener Feldschlachten, der Eroberung strategisch wichtiger Punkte oder kompromissfähiger Friedensschlüsse, damals gab es in ganz Trigardon, welches diesen Namen noch nicht trug, keine einzige Festung. Der Hinterhalt war wichtigstes Kriegsmittel, die beliebteste Waffe der Bogen, Rüstungen aus Eisen waren weitgehend unbekannt. Diese Art zu kämpfen, der „Kampf nach Stammesart“ erklärt ansatzweise die Grausamkeit und Erbitterung der damaligen militärischen Ereignisse.


§ II Der Krieg des Volkes

Eine Frage die sich aufdrängt, ist die nach möglichen Friedensschlüssen. Tatsächlich kam es während des Krieges zu keinerlei Kontakt diplomatischer Natur zwischen den Kriegsherren, auch von geschlossenen Waffenstillständen gibt es keine Aufzeichnungen. Die Gründe für diese gnadenlose Kompromisslosigkeit liegen in der damaligen Lebensordung: Die Hierarchie innerhalb der Stämme war klar festgelegt. An der Spitze des Stammes stand der Häuptling mit seinen Kriegsherren allein, wobei der erste Kriegsherr, oft der Sohn oder die Tochter des Häuptlings, sowohl Stellvertreter als auch, im Falle des Todes des Häuptlings, Nachfolger desselben war. Die Herrschaft der Häuptlinge war so absolut wie nicht hinterfragbar und legitimierte sich über die Rolle Ischans und Natans, die in dieser Ära nur mündlich überliefert war. Dem Klerus kam eine vergleichsweise unbedeutende Rolle zu: Die Priester legitimierten den Häuptling, segneten die Waffen der Krieger, kämpften häufig wie einfache Stammeskrieger mit und waren in Ausnahmefällen Parlamentäre, die Gefangenenaustausche und ähnliches organisieren konnten und einen Stand in der Stammesaristrokatie unter den Kriegsherren bekleideten. Da Eheschließungen in den Stämmen vollkommen unbekannt waren, (die engste Bindung zwischen Mann und Weib trägt die Bezeichnung „Gefährte / Gefährtin“) kam den Priestern auch hier keine Rolle zu. Desweiteren weiß man von Magiern aus dieser Zeit, die aber über kaum eine akademische Bildung verfügten, und in ihren Aufgaben und ihrer hierarchischen Stellung mit den Stammeskriegern gleichgestellt waren. Halbmenschen waren im Krieg mit dem kleinen Volk gleichgestellt und nahmen mal am Krieg auf der einen oder der anderen Seite, oder auch auf beiden Seiten teil, waren aber auch oft durch Plünderungen und Überfaelle unschuldige Opfer des Krieges.


§ III Der Heilige Krieg

In mitten dieses Szenarios aus Blut und Tränen erblicken wir jedoch auch jene, die das Leben lieben und den Frieden wünschen: Im Jahre 2 v. K. wird in den Aufzeichnungen der Arbonier und Flutländer ein bis dahin nie dagewesenes Ereignis erwähnt: das erste Fest der Freundschaft! Bezeichnenderweise waren es zwei Priesterinnen der Riaranjoscha, die Arbonierin Canufira und die Flutländerin Fejana, die, streng Riaranjoschas Geboten von der Heiligkeit des Lebens folgend, ihrenStammesgegensatz vergaßen und das Fest der Freundschaft inszenierten. Gedacht war dieses Fest als diplomatisches Zusammentreffen der Häuptlinge, ein Turnier im Geiste freundschaftlichen Messens hätte stattfinden sollen sowie man nach Möglichkeiten suchen wollte, wie der Krieg, wenn er schon nicht beendet werden konnte, wenigstens in seiner Grausamkeit vermindert werden könne. Auch kommt dem Fest der Freundschaft religiöse Bedeutung zu, so soll beispielsweise der Sieger des Turniers, sollten die Priester ihn für Würdig befinden, den Titel des Dan tragen, eine Rolle, die der eines religiösen Ordnungshüters entspricht und der zwischen den Stämmen vermitteln soll. Dieser Titel legitimiert sich auch über das Heilige Buch der Götter und es ist kein Zufall, dass gerade die Priesterinnen der Riaranjoscha, die über ein komplexes System mündlicher Überlieferungen verfügen, schon damals dieses Wissen von religiöser Tradition besaßen, obwohl das Heilige Buch zu dieser Zeit noch verschollen war. Der Verlauf dieses ersten Festes der Freundschaft trübte die Hoffnungen auf Frieden. Der flutländische Zwerg Ferangosch wurde zwar Turniersieger, aber von Canufira und Fejana nicht für Würdig erklärt, Dan zu sein. Der Häuptling der Arbonier, Karoman anh Rhack, erschlug ihn daraufhin. Das Fest der Freundschaft endete im neuerlichen Stammesgemetzel. Ein weiteres langes Jahr herrschte Krieg, Karoman anh Rhack, der seinen Stamm in der Vergangenheit erfolgreich angeführt hatte, verschwand spurlos, den Flutländern gelangen einige militärische Erfolge in Nordern, die allgemeine Situation blieb aber zugunsten der Arbonier bestehen. Das Jahr 0 der trigardonischen Zeitrechnung beschreibt den Wendepunkt der Stammesgeschichte, ja die Grundsteinlegung alles dessen, was Trigardon mehr ausmacht als nur der Stammeskrieg. Karoman anh Rhack, ehemaliger Häuptling der Arbonier, tauchte wieder auf, mit einer Waffe, die nur Riamodan selbst ihm geschenkt haben konnte und was noch wichtiger ist: mit einer Vision. Die Waffe war das heute berühmte heilige Schwert Siebenstreich, die Vision ein göttlicher Auftrag. Karoman kehrte zurück um das göttliche Gebot von der Trennung von Menschen und Halbmenschen durchzusetzen und begann sofort damit, fromme Krieger beider Stämme um sich zu schaaren. Dies war die Geburtsstunde des Orden Siebenstreichs. Überraschenderweise waren es jedoch nicht die Arbonier, die dem Ruf ihres alten Häuptlings folgten, sondern in der Mehrheit Flutländer, die sich von der neuen Religionsbewegung eine Verschiebung der Machtverhältnisse erhofften, nachdem sich eine militärische Niederlage ihres Stammes abgezeichnet hatte. Der neue Häuptling der Arbonier, Volkan anh Garesch fürchtete hingegen um seine Macht im Stamm und begann zusammen mit den Halbmenschen, den „Bund der Gerechten“ zu formieren, die den Wächter Siebenstreichs und seine Krieger bekämpften. In dem nun folgenden inquisitionellen Krieg siegte der Orden Siebenstreichs schnell, die Götter blieben ihren Schützlingen hold. Nach wenigen Monaten wurde die letzte Zuflucht des „Bundes der Gerechten“, eine elfische Baumfestung in der Gegend des heutigen südlichen Dunkelwaldes, von Karoman belagert. Bei einem Ausfall gelang es Aribor anh Krul, dem Häuptling der Flutländer, Volkan anh Garesch gefangenzunehmen, der daraufhin den Freitod wählte. Der „Bund der Gerechten“ war geschlagen und verstreute sich, aber mit Angriffen nach Stammesart gelang es ihnen, die Schaffung einer neuen Ordnung zu verhindern.


§ IV Der Krieg der Gedanken

Eine Erschütterung einer weltlichen Ordnung, auch wenn es eine Ordnung des Krieges ist, bringt immer Komplikationen mit sich, die den weiteren Verlauf der Dinge in Riaranjoschas ewigem Fluß der Zeit nur bei genauer Betrachtung zu erklären hilft. Dieser Betrachtung der Hintergruende soll der folgende letze Abschnitt des Kapitels vom Stammeskriege gewidmet sein. Wie also verhielt sich das kleine Volk gegenüber den Cirkatern, wie die Magier beider Stämme und welches war das weitere Schicksal von Canufira und Fejana. Wie wurde schließlich der Frieden erreicht? Der „Bund der Gerechten“, der zwar nicht die Heiligkeit der Götter, wohl aber Karomans Auftrag anzweifelte, erreichte die Neutralität des kleinen Volkes, obwohl der Groll der Zwerge auf die Elfen in aller Welt berüchtigt ist und war (Trigardon ist hier keine Ausnahme). Mit böser Verleumdung weckten Volkan und seine Spießgesellen das Mißtrauen des kleinen Volkes gegen die Siebenstreicher. Die meisten Magier beider Stämme sympathisierten mit den Halbmenschen, so bildete sich dann auch das erste Zentralorgan der trigardonischen Magier an einem von Riasina gesegneten Ort im Dunkelwald, dem magischen Zirkel und bot den Aufwieglern Asyl. Da die Magier nicht eindeutig Stellung bezogen und versuchten, den Orden Siebenstreich auf dem Verhandlungswege zu beschwichtigen, was natürlich fehlschlug, war ihre Rolle in diesem Konflikt vergleichsweise unbedeutend. Von nicht zu verkennender Signifikanz aber ist die Tatsache, dass in späteren Jahren hier eine Akademie der arkanen Künste gegründet wurde: Der Grundstein für die Grafschaft Dunkelwald. Der Klerus stand geschlossen hinter Canufira und Fejana, obwohl es keinen Dachverband für den Siebenfaltigen Glauben gab. Karoman ließ sich jedoch nicht von der Priesterschaft leiten, da er sich als höchsten Vertreter Riamodans unter den Sterblichen sah, ein Anspruch, der ihm seitens des Klerus nicht streitig gemacht wurde.


§ VI Quellenangaben zur historischen Sicherheit

Gedankt sei der Priesterschaft der Riaranjoscha, die ihr Wissen nicht an das geschriebene Wort binden muß, da man wirkliche Weisheit nicht in Büchern findet. Unter Hochwürden Miramasiels strebsamer Arbeit sind die mündlichen Überlieferungen der Stämme nicht verloren, Canufira und Fejana nicht vergessen. Gedankt sei den Veteranen des ersten Ordens Siebenstreich, die die Aufzeichnungen ihrer 28 Zirkel zurückliegenden Taten in den Dienst der Erstellung dieser Chronik stellten.


Zweites Kapitel - Der heilsame Schlaf

§ I Vom Ende des Ordens Siebenstreich

Noch war der wirkliche Friede nicht erreicht, noch waren da die Ketzer und die rebellischen unter den Halbmenschen, noch war das Land unter Waffen und Karoman gewillt, den Stämmen keine Ruhepause in seinem unermüdlichen Streben nach göttlicher Gerechtigket zu lassen. Sein Weg, der Weg des Schwertes, würde, so konnte man nun erkennen, den langersehnten Frieden nicht bringen. Doch die Pläne der Götter sind für die Sterblichen nicht zu begreifen und trotzdem finden sie, so wie Riaranjoschas Element, immer einen Weg durch die Wirren und die Dunkelheit. So waren es tatsächlich die Aufwiegler, die in ihrem Fehl und Falsch mit böser Bluttat den göttlichen Willen vollzogen, ohne zu verstehen, daß sie nur Werkzeuge der ewigen Siebenfaltigkeit waren, die sie verleugnet hatten. Ein Jahr nachdem Karoman mit dem Feuer des Schwertes und der Flamme seiner Vision zurückkehrte, werden er, Fejana und Canufira bei einem Attentat Überlebender des „Bundes der Gerechten“ getötet. Folglich läßt sich eine einheitliche trigardonische Zeitrechnung, sofern man nicht in Herrscherjahren zu rechnen wünscht (was in Trigardon zu Komplicationen führen kann) am besten auf den Tod des Karoman anh Rhack, des Wächters Siebenstreich zurückführen. Dementsprechend ist das Jahr Karomans Ermordung das Jahr 0 (n. K.). Die Tragik der Figur Karoman ist ersichtlich, die Notwendigkeit seines Heiligen Krieges ebenso begreiflich wie die Notwendigkeit seines gewaltsamen Todes und hier schauen wir Weisheit: Diejenigen, die Werkzeugder Götter sind, vollbringen große Taten und nehmen viel Leid auf sich, ohne jemals die Früchte ihres Schaffens zu sehen, oftmals ohne zu bemerken, auf welchen verwinkelten Wegen sie geschritten und daß ihr Scheitern nur die Erfüllung des göttlichen Willens ist. Was der Märtyrer erreichte, erreichte er nicht für sich sondern für die, die ihm folgten. Das weitere Schicksal des Ordens Siebenstreich war daraufhin vorgezeichnet. Karomans Neffe Ardor anh Rhack wurde Wächter Siebenstreichs, schaffte es jedoch nicht, die Krieger zusammenzuhalten. Ihm mangelte es zwar nicht an Stärke und Frömmigkeit, was ihm fehlte war Karomans göttliche Vision. Der Bund der Gerechten verschwand in der Bedeutungslosigkeit, die meisten in Trigardon lebenden Elfen zogen sich tief in die alten Reiche zurück oder gingen gar in den nur von Elfen bewohnten Kyriadwald im Südwesten des Dunkelwaldes. Das wichtigste aber war: Der Stammeskrieg kam zu keinem neuerlichen Ausbruch. Die absolute Macht der Häuptlinge war gebrochen, die allgemeine Kriegsmüdigkeit brachte den Frieden, den keine großen Taten und keine edlen Geister schaffen konnten. Unter den Flutländern war es nun Aribor anh Krul ein leichtes, sich den Häuptlingssitz für sein Haus zu sichern, kein anderes Sippenoberhaupt konnte es wagen, sich gegen den Willen des Veterans des heiligen Krieges zu stellen. Die Hoffnung der Söhne und Töchter Flutlands auf eine Umverteilung des Landes erfüllte sich jedoch nicht, unter anderem deshalb, weil Aribor nicht Krieg gegen seinen alten Waffenbruder Ardor führen wollte. Den Frieden verdankt Trigardon also zu einem guten Teil ihm. Bei den Arboniern war die Macht allerdings nicht so klar verteilt, Ardor anh Rhack versuchte zwar, Häuptling zu werden, konnte sich jedoch nicht gegen die anderen Sippenoberhäupter, von denen die Mehrheit mit dem „Bund der Gerechten“ sympathisierte, durchsetzen. Für lange Zeit blieb die Häuptlingsfrage in Arbon ungeklärt. Der Klerus sah noch keine Grundlage für die Bildung einer zentralen Organisation, die Priester verteilten sich auf die Stämme, waren für die einfachen Stammesleute da und arbeiteten im Verborgenen an der Erschaffung einer neuen Ordnung, jedoch nach dem Tod von Canufira und Fejana konnten sie ihre Arbeit nicht koordinieren. Dieses Versäumnis ist wohl Grund für das spätere Auftreten umstürzlerischer religiöser Sekten wie der „Bruderschaft des Dan“ oder jenen, die Botan als Gott verehren, allerdings muß auch gesehen werden, daß die wichtigste Grundlage der siebenfaltigen Religion damals noch verschollen war: Das Heilige Buch der Götter.


§ II Das Heilige Buch der Götter

Während es in Arbon zu eher unblutigen Auseinandersetzungen um den Führungsanspruch der verschiedenen Sippen kam, breiteten sich die Flutländer in bis dahin unbekannte oder zumindest unbesiedelte Gebiete aus. Erste Edelsteinfunde im nördlichen (also futländischen) Flußlauf des Arbo wurden eine Erleichterung im harten Leben von Ischans Stamm in ihren unfruchtbaren Sümpfen. Bald schon wurden Edelsteine ein etabliertes Zahlungsmittel unter den Stämmen und es begann sich langsam ein Handelssystem in Trigardon zu entwickeln. Eine flutländische Sippe, die durch den Handel zu Wohlstand kam, war die Sippe der anh Ria, deren Oberhaupt Phadrack Natan im Jahre 3 n. K. das System des geldlosen Zahlens einführte. Dem Einfallsreichtum dieses begnadeten Händlers ist es zu verdanken, daß der bis dahin völlig unterentwickelte Handel Trigardons inzwischen mit anderen Reichen gleichziehen kann. Im Jahre 5 n. K. siedelten die anh Ria in den flutländischen Teil des Dunkelwaldes. Phadrack Natan anh Ria war nicht nur wohlhabend und trug nicht nur einen frommen Namen, er war auch ein wahrhaft gläubiger und frommer Mann. Im Jahre 14 n. K. stellte er seinen Reichtum in den Dienst der Götter und sammelte Abenteurer um sich, das legendenumrankte Heilige Buch der Götter zu suchen. Als Wegweiser auf seiner Suche dienten ihm dabei die Schriften des toten Mönchs Seban anh Jakon, und nach langer, beschwerlicher Suche war schließlich Hochwürden Tandor, Priester der Riadugora, der erste Gottesmann, der im Jahr 14 n. C. die heilige Schrift in den Händen hielt. Diesen heiligen Augenblick nam ein Magier aus Altgar zum Anlaß, seinen im Land der Kultur und des Wissens entlehnten Riasinakult zu verkünden. Der Name dieses Mannes, dessen Lehren im Kloster der Riasina bald als allgemein gültig anerkannt wurden, war Giordano anh Galiley, und auf ihn ist es zurückzuführen, das Riasina heute auch als Göttin der Magie verehrt wird. Das Heilige Buch der Götter verhalf der Theologie in Trigardon zu einer neuen Blüte und der Ruf nach einer einigen Kirche wurde immer lauter.


§ III Das Kloster der Riasina

Die arkane Akademie des magischen Zirkels im Dunkelwald blieb von den Ereignissen nicht unbeeinflußt. Als Oberhaupt einer im Dunkelwald lebenden Handelssippe unterhielt Phadrack Natan anh Ria gute Kontakte zu den Akademievorstehern Rhackson und Sarimor. Giordano anh Galiley verbreitete seine Lehren von hier aus unter Priestern und vor allem Magiern, da Sarimor seine Ideen unterstützte. Rhackson, die sich gegen die Lehren des Galliley stellte, verließ die Akademie. Dem Dunkelwald kehrte sie jedoch nicht den Rücken und die Stimmen, die behaupten, hier habe sich eine Art Krieg unter Magiern abgespielt, gehen fehl. Entscheidend wurde aber, dass Giordano im Jahre 15 n. C. den Weg zum Kloster der Riasina fand, der allen versperrt ist, die nicht durch die große Göttin selbst dorthin finden. Die arkane Akademie des magischen Zirkels ging schon bald in den Klosterstrukturen auf, da die unermeßlichen Schätze geheimen Wissens dieses Klosters an die von Altgar heranreichen. Somit wurde das Kloster der Riasina zum wichtigsten Hort siebenfaltiger Kultur in Trigardon.

§ IV Altberg und die Feudalisierung Südarbons

„Müßiggang ist aller Laster Anfang“, so steht es im Heiligen Buch der Götter geschrieben. Bereits berichtet wurde, wie der Stamm der Arbonier sich nicht auf einen neuen Häuptling einigen konnte. Zur Zeit kurz nach Karomans Tod stand es außer Frage, das man sich nicht nur auf einen neuen Häuptling, sondern auch auf dessen Sippe als Häuptlingssippe einigen mußte. Der erste Schritt hin zu einer politischen Erbfolge war – nicht nur in Arbon, sondern auch mit Aribors Sippenherrschaftin Flutland – vollzogen. Die ersten Ansätze einer Feudalisierung der alten Stammesordnung sind tatsächlich hier zu suchen, als es im Sinne einer einfacheren Regierbarkeit des Landes nicht mehr ausreichend war, die Anführer verschiedener Lebensgemeinschaften nur nach Kriterien wie strategischen Fähigkeiten oder Führungsqualitäten im Krieg auszuwählen. Kaum ein Jahr nach Karomans Tod hatte sich ein klar umrissener Stammesadel entwickelt. Dies mag auch einer der Gründe dafür sein, das sich die Ehe schließlich als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Weib durchsetzte. Auch die einfachen Stammesleute mußten eine Methode finden, mit der neuen Differenzierung ihrer Besitzverhältnisse umzugehen. Ein Erbrecht bedarf durchschaubarer Familienverhältnisse. Ursprünglich kommt die Ehesitte wohl von den kritztlichen Ländereien im Norden. Nicht nur die Flutländer breiteten sich nach Norden und Westen aus, auch die Arbonier kehrten in südlichere Gefilde zurück. Gerade die Priesterschaft war daran interessiert, dass die Straßen nach Altgar wieder benutzbar wurden, damit man auf die gewaltigen Schätze an religiösem und kulturellem Wissen der dortigen vom Stammeskrieg unberührten siebenfaltigen Gemeinde zurückgreifen konnte. Der Einfluß des Südens auf das trigardonische Leben ist also unbestreitbar. Seit dem Jahre 3 n. K. waren Eheschließungen in Südarbon bekannt, seit 10 n. K. wurde sie fester Bestandteil der arbonischen Stammeskultur. Wenig später hatte auch Flutland ein klerikal legitimiertes Erbrecht, das unter anderem vorschreibt, das eine Tochter, auch wenn sie die Älteste unter ihren Brüdern und Schwestern ist, nur dann erben kann, wenn sie bereits verheiratet ist. Der Einfluß Altgars war auch für überliefertes trigardonisches und siebenfaltiges Wissen überaus wichtig. Die großen Ansammlungen von Schriften die von dort nach Arbon gekommen sind, sind bis heute nicht ausreichend gesichtet. Die Kriegsschulen von Ischan, noch zur Zeit des Stammeskrieges in Arbon gegründet, wurden bald mit den umliegenden Tempelschulen die wichtigste Stätte der Gelehrsamkeit nach dem Kloster der Riasina in Trigardon. „Müßiggang ist aller Laster Anfang“, so steht es geschrieben im Heiligen Buch der Götter. Warum der Prozeß, der in dieser Epoche seinen Anfang nahm, zurecht als „Feudalisierung“ bezeichnet werden kann, erklärt sich nicht durch die Verbreitung der Ehesitte, die übrigens nicht zuletzt vom Klerus durchgesetzt wurde, und auch nicht durch die Wiederbelebung des Kulturlebens, sondern vor allem über die lasterhaften Begleiterscheinungen dieses für sich genommen begrüßenswerten Prozesses. Vor allem die arbonischen Sippenoberhäupter verstanden sich immer weniger als Diener ihrer Stämme und Sippen, sondern eher als Land- und Hochadel. Dekadenzerscheinungen traten auf, wie etwa die Entrechtung unehelicher Kinder oder die Kinderhochzeit. Das deutlichste Problem aber wurde eine von Sippe zu Sippe unterschiedliche Gesetzgebung, die allein dem Willen des jeweiligen Sippenoberhauptes unterlag. Erklärte Gegner des trigardonischen Feudalismus sprechen ein anderes Problem an, das nur der Vollständigkeit halber, nicht aber seiner tatsächlichen historischen Bedeutung wegen erwähnt werden soll. Wir sprechen von einem Identitätsverlust der einfachen Stammesbevölkerung. Immer öfter geht dieser gar so weit, dass einfache Männer, die wohl wissen,das sie aus Trigardon kommen, nicht wissen, welchem Stamm sie angehören, ja nicht einmal, wie die Stämme überhaupt heißen.


§ VI Quellen zur historischen Sicherheit

Gedankt sei dem Kloster der Riasina, welches durch die unermüdliche Arbeit und die großzügige Hilfe seiner Eminenz Abt Talerchen seine eigene jüngere Geschichte als Geschichte ganz Trigardons begreift und es an seinem unermeßlichen Wissen teilhaben läßt. Gedankt sei den Historikern der Schulen des Ischan, die nicht ihresgleichen haben, was die Geschichte Arbons betrifft.


Die Herrschaft des Hohen Rates

§ I Vom ersten Hochfürsten Trigardons: Ardor anh Rhack I.

Das Heilige Buch der Götter wirkte sich in drastischer Form auf das politische Leben des Reiches aus. Der arbonische Sippenkampf endete auf wundersame Weise durch die Kompromissbereitschaft zweier vorherrschender Sippen, dem hohen Haus anh Argaine und dem hohen Haus anh Rhack. Ein Abkommen, welches für die anderen einflussreichen Familien zu überraschend kam, als das sie darauf hätten reagieren können, dessen Hintergründe für sie im Übrigen nicht durchschaubar waren. Der junge Rikasch anh Argaine wurde zum Häuptling der Arbonier; durch geschicktes Taktieren Rikaschs Vaters Sairan anh Argaine glaubte der Großteil der arbonischen Stammesaristrokatie, man habe sich gegen Ardor anh Rhack durchgesetzt, bis das Thing ihn am 24. Sion der 4. Sina 19 n. K. zum Hochfürsten Trigardons wählte. Das Thing, welches sich über alte Schriften aus Altgar legitimiert, wurde 17 n. K. vom Kloster der Riasina, der trigardonischen Handelsgilde und vor allemvon seiner Eminenz Wastan, dem aus Altgar stammenden Primus inter Pares der Priester des Riason, zum regierenden Rat des damit gegründeten Hochfürstentums Trigardon erklärt. Es setzt sich zusammen aus den Häuptlingen, jeweils einem Vertreter des Klerus und der Magier, jeweils einem Vertreter des Kleinen und des freien Volkes, dem Wächter Siebenstreichs und dem von den Übrigen Mitgliedern zu wählenden Hochfürsten. Für die Wahl Ardors bedeutete dies, das Rikasch anh Argaine, Aribor anh Krul, seine Eminenz Wastan, Philonius Phadrack anh Ria, ein Nachkomme Phadrack Natan anh Rias, Flint Eisenbrecher und Mina, Händlerin des kleinen Volkes, im Thing saßen. Ardor hatte den Titel des Wächters Siebenstreich schon vor langem niedergelegt, er wählte sich also nicht selbst mit. Das Thing wählte nicht nur den Hochfürsten, es beschloß auch die Reichsgründung eines von beiden Stämmen getragenen Hochfürstentums. Erst seit diesem Jahr sprach man tatsächlich von „Trigardon“. Dieser Name setzt sich zusammen aus den drei Worten „Tri“ (also 3), „Gar“ (dieses Wort steckt auch in „Altgar“; den Ort, an den der Legende nach die Weisen beider Stämme besiedelten, um fernab vom Gemetzel des Krieges eine Stadt zu gründen, in der Kultur und Wissenschaft höchstes Gut seien sollten, nannten sie Gar und es bedeutet soviel wie „Geist“ oder „Gedanke“) und „Don“ (= „Reich“ oder „Land“), die Übersetzung von „Trigardon“ lautet also sinngemäß: „Das Reich der drei Geister“ und diese drei Geister, im Wappen des Hochfürstentums durch das Trisquel dargestellt, symbolisieren die drei geografisch-geistlichen Richtungen, aus denen sich Trigardon zusammensetzt: Altgar, das Längstal des Arbo und die Alten Reiche des Kleinen Volkes und der Halbmenschen. Die einzige Gegenstimme gegen Ardor anh Rhack I. kam von dessen altem Waffenbruder Aribor anh Krul, der befürchtete, das ein Arbonier auf Trigardons Hochfürstenthron den Flutländern zum Nachteil gereichen würde. Er begann, den Stammeskrieg aufs neue zu entfachen, wurde aber am 19. Sion der 5. Sina 19 n. K. von Rikasch anh Argaine in der Schlacht beim Altar der Riaranjoscha in Nordern vernichtend geschlagen. Diese Schlacht, bei der die arbonischen Truppen durch das Kleine Volk unter der Führung von Flint Eisenbrecher Unterstützung erhielten, ist wegen der in Trigardon neuen Art der Kriegsführung von Wichtigkeit. Es handelt sich um die Schlacht, bei der sich zum ersten mal der Kampf nach Stammesart moderneren Taktiken wie der Anwendung eines Schildwalls und schwerer gerüsteter Einheiten als unterlegen erwies. Aribor anh Krul gelang die Flucht, Adors Hochfürstenthron wurde aber vorerst nicht mehr von den Flutländern bedroht. Trotzdem war ihm keine lange Regierungszeit vergönnt, im Dunkelwald begannen die Magier, allen voran Philonius Phadrack anh Ria, unter dem Eindruck des neuerlichen Aufflackerns des Stammeskrieges, die Praktiken Ardors Regierung zu kritisieren. Schließlich wurde Ardor I. aber unter ganz anderen Umständen ermordet: Die Handelsgilde beauftragte eine nordflutländische Sippe, den „Clan der Wölfe“, Ardor I. unter dem Eindruck zu hoher Steuern umzubringen. Einige dieser Sippe erfüllten den Auftrag am 14. Sion der 1. Sina 20 n. K.. Rikasch anh Argaine löste daraufhin die Handelsgilde auf, suchte, fand und tötete die Mörder und durchstreifte auf der Suche nach dem Clan der Wölfe die Sümpfe und Wälder Trigardons erfolglos. Dann stürzte er sich in sein Schwert. Der einzige Nachkomme des Sairan anh Argaine war damit verloren und hinterließ seine Sippe in Trauer.


§ II Die Geburt der vier Grafschaften

Nach Ardors I. Tod versank das Reich nicht im Chaos, sondern das Thing blieb oberste Instanz des Reiches und wählte den Primus inter Pares der Priester des Riason zum neuen Hochfürsten. Wastan trieb die Feudalisierung Trigardons nach dem Beispiel seiner südlichen Heimat weiter voran. Altberg, welches schon Kontakte nach Südarbon pflegte war bald in Freundschaft mit Trigardon verbunden. Im Jahre 20 n. C. setzte Wastan Reformen in Gang, die sich als endgültige feudale Umgestaltung des Reiches erwiesen: Gleichzeitig mit Altbergs Eintritt ins Hochfürstentum wurde das Stammesgebiet der Flutländer und Arbonier verkleinert und aus den Gebietsabtretungen eine neue politische Einheit geschaffen. Trigardon bestand jetzt aus vier gleichberechtigten Grafschaften, die jeweils einen Sitz im Thing hatten. Diese Grafschaften waren: Arbon, unter Graf Ardor anh Rhack II., Flutland, unter Graf Aribor anh Krul, Altberg, unter Graf Uwe von Berg I. und Dunkelwald, unter Graf Philonius Phadrack anh Ria. Mit der Schaffung dieser vierten Grafschaft vollzog der Hochfürst einen bereits überfälligen Schritt: Die arkane Akademie des magischen Zirkels war längst ein wichtiger Machtfaktor geworden, den Wastan zu kanalisieren versuchte. Das Thing wurde im gleichen Jahr zum „Hohen Rat“ umbenannt.


§ III Vom ewigen Faktor der Unberechenbarkeit: Innenpolitik

Überraschenderweise kam es unter den arbonischen Sippen nicht erneut zum Machtkampf, sondern Ardors gleichnamiger Sohn wurde durch Wastans Einflußnahme zum neuen Häuptling der Arbonier gewählt. Im Übrigen hatte Rikasch kurz vor seinem Tod Ardor den Jüngeren zu seinem ersten Kriegsherren ernannt. Ardor II., wie er sich als Häuptling nennt, stimmte bei der nächsten Hochfürstenwahl für Wastan, der den Beinamen „der Connector“ erhielt, ob seines Brückenschlages zwischen weltlicher und geistlicher Macht. Gleichzeitig kam es zu ersten vorsichtigen diplomatischen Kontaktaufnahmen zwischen den durch einen Putsch emporgekommenen Machthabern in Altgar und der arkanen Akademie des magischen Zirkels. Die Flutländer erreichten, das sich der Zwerg Calinop zum Herrscher über das kleine Volk erhob. Von nun an nannte er sich König der Zwerge und schloß ein Bündnis mit den Halbmenschen. Auch ließ er die Festung Sturmfels errichten, die erste moderne Festung Trigardons. Calinop war im Gegensatz zu Flint Eisenbrecher ein Freund der Flutländer und nicht der Arbonier. Die Grafschaft Altberg verhielt sich neutral und mischte sich nicht in die Streitigkeiten der Stämme und Sippen ein.


§ IV Ein Zwerg auf dem Riesenthron

Im Jahre 21 n. C. verlor Wastan der Connector die Sympathien des Hohen Rates und wurde schließlich am 22. Sion der 3. Sina abgewählt. Wastan, der weder Krieger noch charismatisch war, hatte sich allein auf den Grafen von Arbon verlassen. Auf Flutlands bestreben hin wurde Calinop am selben Tag zum neuen Hochfürsten gewählt. Bis auf diese Tatsache ist nichts über seine Regierung überliefert. Wastan wurde ermordet, die Mörder wurden nie gefunden.


§VIQuellen zur historischen Sicherheit

Gedankt sei dem Kloster des Riason, welches die Aufzeichnungen von Wastan dem Connector in dieses Kapitel einfließen ließ. Gedankt sei Baron Flint Eisenbrecher, der die Erinnerungen des kleinen Volkes der trigardonischen Chronik zur Verfügung stellte. Gedankt sei Sairan anh Argaine, der die Tagebücher seines einzigen Sohnes der Geschichtsschreibung zum Geschenk machte. Gedankt sei Freiherr Adalbert zu Stegebreck, der als Scriptor des Hochfürsten Calinop alle wichtigen Ereignisse dessen Regierungszeit gewissenhaft dokumentierte.


Die Ära Caroman II.

§ I Von einem geliebten Despoten

Am 1. Sion der 7. Sina 21 n. C. erschien ein junger Mann auf der Bühne der trigardonischen Politik, der unter den Mächtigen des Reiches einige Verwirrung auslöste. Die Rede ist von Karomans Enkelsohn, der plötzlich auf der Sitzung des Hohen Rates erschien und sich als Karoman II. vorstellte. Was er verlangte, war ebenso unverschämt wie mutig: Seine Wahl zum Hochfürsten von Trigardon! Karoman so glaubte man, sei kinderlos gestorben und habe nur seinen Neffen Ardor hinterlassen, jedoch legten Karomans II. Ausbilder von den Kriegerschulen des Ischan und Priester, deren Aussage über jeden Zweifel erhaben war, Zeugnis für die Abstammung des charismatischen jungen Kriegers ab. Ador II., das war schnell bewiesen, war nicht der älteste lebende anh Rhack, es gab noch eben jenen Karoman II., der das Hochfürstenamt für sich in Anspruch nahm. Der Hohe Rat reagiert prompt und deutlich: Noch am selben Tag wurde Calinop abgewählt und Karoman II. zum neuen Hochfürsten gekrönt. Die Lähmung der arbonischen Seite des Hohen Rates war überwunden, die flutländische Seite reagierte zwar skeptisch, es sieht aber so aus, als sei der einzige Verlierer dieses Tages ein kurzgewachsener Hochfürst mit einer kurzen Amtszeit gewesen: Calinop war ganze 3 Sinae und 10 Sion im Amt gewesen. Nicht zuletzt auf ihn ist das trigardonische Sprichwort gemünzt, das trigardonische Jahr habe 365 Hochfürsten. Karoman II. hatte, die Erwartungen der Flutländer widerlegend, nicht vor, die Machtinteressen der Arbonier zu bedienen. Nach dem Konzept „teile und herrsche“ stärkte er die Sippenoberhäupter beider Stämme in dem Versuch, sie an sich zu binden. Werkzeug dieser Bestrebungen war das trigardonische Adelsedikt, welches die Macht zuungunsten der Grafen zum Hochfürsten verschob und Grundlage des heutigen Adelssystems ist, sowie die von ihm geschaffene Ritterrunde. Karoman II. war der, der das Rittertum in Trigardon einführte. Er ist allerdings als Einziger berechtigt gewesen, Trigardonier zu Rittern zu schlagen, so das jeder trigardonische Ritter ihm direkt verpflichtet war. Desweiteren entzog er dem Hohen Rat sämtliche Regierungsverantwortung. „Karoman II., Hochfürst von der Götter Gnaden“ war seine Devise. Trotzdem blieben die Grafen von Arbon und Dunkelwald vorerst loyal zum Hochfürsten, Ardor II. um nicht seinen Landadel gegen sich aufzubringen, Philonius um nicht die Einheit des jungen Reiches zu gefährden. Der Graf von Altberg verhielt sich noch neutral in Fragen trigardonischer Innenpolitik. Im Übrigen füllte Karomans Feudalpolitik die Mägen des Volkes, was ihm Sympathien einbrachte. Daher setzte sich die Meinung durch, dass Karoman ein guter Hochfürst sei.


§ II Trigardon in den Mittellanden, eine unbekannte Größe

Die Wende Karomans II. Regierung zeichnete sich in der Außenpolitik als erstes ab. Einen freundschaftlichen Kurs fuhr der Hochfürst hinsichtlich Altgars und später, als man auch Kontakte mit dem Nachbarn im Westen, der Grafschaft Winningen, pflegte, auch zu diesem. Als sich das Reich Llomondia wegen Glaubensfragen in Gemetzel, Krieg und Chaos stürzte, versuchte Karoman II. in Verhandlungen mit den beteiligten Großmächten, dem Königreich Burgund auf der einen und den verbündeten skotischen Klans (Confederation of Albany) auf der anderen Seite, einen für Trigardon strategisch wichtigen Rhinzugang für das Reich zu gewinnen. Auf den Llomondischen Konflikt soll hier aber nur in soweit eingegangen werden, wie er für Trigardon relevant war. Nachdem Verhandlungen im Hochfürstentum mit Burgunds Diplomaten Jaqomo Modelaris im Eklat endeten und die burgundische Gesandschaft unter Schmähungen aus dem Land vertrieben wurde, stellte Trigardon sich auf die Seite der Confederation of Albany. Das seit Ende des Krieges alljährlich abgehaltene Fest der Freundschaft erweiterte sich in dieser Zeit auch zum Bündnistreffen von Trigardon und seinen Verbündeten. Beim Fest des Jahres 22 n. K. heirateten die Tochter des Sarimor, Laeticia, und Volcan McSlaughter. Das Bündnis mit Alba war besiegelt. Der Krieg mit Burgund stand bevor.


§ III Ein neuer Bürgerkrieg

Eine starke und kriegsfähige Aussenpolitik benötigt starke und kriegerische Herrscher. Der erste Konflikt mit Gegnern von außerhalb wurde also für Trigardon eine Zerreiß-, für den Hochfürsten eine Bewährungsprobe. Tatsächlich wirkten die außenpolitisch motivierten Ereignisse im Inneren des Reiches so existentiell, daß der Ausgang des Llomondischen Krieges verhältnismäßig unbedeutend wurde. Die Grafen von Arbon, Flutland und Dunkelwald waren durchaus bereit, die Pläne des Hochfürsten zu unterstützen, allein der dem kritztlichen Glauben angehörende Graf von Altberg wollte nicht gegen seine burgundischen Glaubensbrüder ziehen und fürchtete die burgundische Übermacht. Also stellte sich der vierte Graf gegen den Rest des Reiches. Karoman II. wurde dazu gezwungen, seine Autorität mit Waffengewalt verteidigen, da Uwe von Altberg seine Absetzung nicht akzeptierte. Es kam wieder zum Bürgerkrieg. Die Fürstentreuen fühlten sich siegessicher, war doch die rebellische Grafschaft die kleinste des Reiches und die mächtigen Stämme zum ersten Mal gegen einen gemeinsamen Feind geeint. Der Graf von Altberg sammelte jedoch ein gewaltiges Söldnerheer und griff nach der Kornkammer des Reiches, dem Längstal von Arbon, zur Erntezeit. Schließlich kam es am 15. Sion der 10. Sina 22 n. K. zur entscheidenden Schlacht zwischen den Rebellen und den Streitkräften des Hochfürsten. Die modern ausgerüsteten und zahlenmäßig überlegenen altbergischen Söldner erlitten bei der Schlacht auf den Kronenfeldern (eine nördliche Gegend Tejaduns) zwar hohe Verluste, konnten jedoch durch die Gefangennahme der Grafen von Arbon und Flutland sowie des Hochfürsten ihren Anspruch auf Lossagung von Trigardon durchsetzen. Im fast seines gesamten hohen Adels beraubten Reiche brach nicht das befürchtete Chaos aus. Vielmehr zeigte sich, dass Karomas II. Adelsedikt mehr Wert war, als die Pergamente auf denen es verfaßt worden war. Die durch Treueid allein dem Hochfürsten verpflichteten Ritter der Fürstentafel unter der Führung von Baron Flint Eisenbrecher, der nach Calinops Rücktritt vom Hochfürstenamt wieder das kleine Volk in Trigardon anführte, bildeten eine provisorische Übergangsregierung. Das Reich wurde in Karomans II. Sinne verwaltet, der Graf vom Dunkelwald Philonius Phadrack anh Ria wurde mit der härtesten Strafe trigardonischer Rechtsprechung, der Vogelfreiheit, belegt da die Tafelritter zu der Ansicht gelangten, seine Gnaden seien schuldig der Desertation aus Feigheit vor dem Feinde und des Hochverrats. Philonius Phadrack anh Ria flüchtete ins Altberger Asyl vor diesem Rechtsspruch. Aber auch die Helden dieses Krieges wurden belohnt, so wurden die Schwyzer Kriegsknechte, tapfere Söldner im Dienste Trigardons und der skotische Clan der Montrose für „die vielen besungenen und unzählbaren unbesungenen Heldentaten“ in der Schlacht der Kronenfelder in das trigardonische Volk brüderlich aufgenommen und bekamen Land in Trigardon. Der Clan der Montrose baute das im Krieg zerstörte Dorf Falken wieder auf, dass von diesen Tagen an den Namen Cernadun trägt und der Hauptmann der Schwyzer Kriegsknechte, Jevi, wurde zum Baron ernannt. Seine Schwyzergarde wurde später zu Karomans II. Leibgarde. Nun schrieb die Geschichte ein Glanzstück trigardonischen Heldenmutes: Der Kämpe Karomans II., Fürstenprotector und Freiherr Turaljon anh Arden führte die Ritter der Fürstentafel in den Kampf, die Zwingburg Altbergs in unerwarteter Stunde im Handstreich zu nehmen. Der Tag, der Trigardons Schmach hätte besiegeln sollte und epresste Reparationszahlungen in erdrückender Höhe durch des gefangenen Hochfürsten Zeichen verwirklichen hätte können, wurde nun zu einem düsteren Tag für den rebellischen Freigrafen. Er war es, der das alte Paradoxon der Priester der Riaranjoscha in diesem Krieg zu spüren bekam: Die Stunde deines Triumphes ist deine schwächste Stunde! Den dreißig trigardonischen Recken glückte der Sturm auf die zwar stark bemannte aber unachtsam verteidigte Burg, Karoman II. und Aribor anh Krul gelang die Flucht aus der Gefangenschaft. Wie ein schneller Hagel, der zur Erntezeit auf der Bauern Felder niedergeht, kamen und gingen die Trigardoner, in einer Stunde die Ergebnisse eines Krieges umstürzend. Da Ardor II. ein Gefangener des Ordens der Wotanisten, altbergischer Alliierter, war und für ein bezahlbares Lösegeld die Heimat erblicken durfte, blieb dem Grafen von Altberg nicht ein einziger hoher trigardonischer Adliger als Faustpfand seines Sieges.


§ IV Von Aufstand und Umsturz, oder: Die Tragödie der Söhne und Töchter der Flutlande

Karomans II. Glück und Stärke soll sein Untergang werden, so munkelte man in den Grafschaften Flutland und Dunkelwald. „Die Glücklichen und die Starken leben nicht lange in Trigardon“, so sprachen hinter vorgehaltener Hand die arbonischen Sippenoberhäupter und Priester. Nicht alle Trigardonier reagierten erfreut über die Rückkehr des despotischen Hochfürsten. Der Stamm der Flutländer sah in Karomans Adelsedikt den Verfall der alten Tugenden, einen Bruch mit der Tradition und alles in allem den Vorboten der Kritztianisierung des Reiches. Unvergessen blieb dem hohen Haus anh Krul, dass Karoman II. durch die Arbonier auf den Thron gelangt war und den Hochfürsten ihrer Wahl, Calinop, damit in die politische Bedeutungslosigkeit geschickt hatte. Der Graf von Dunkelwald, der auch schon vor dem altbergischen Krieg die Aussenpolitik Karomans II. als zu kompromißlos kritisiert hatte, ist nach seiner Flucht einer der erbittertsten Feinde des Hochfürsten und gebot auch aus der Fremde über des Dunkelwalds arkane Schüler. Der Graf von Arbon war über die Machtverschiebung innerhalb seiner Grafschaft alles andere als glücklich, seine Barone gewannen durch Karomans Regierungskonzept „teile und herrsche“ an Unabhängigkeit, als besondere Schmach empfand Ardor anh Rhack II. es jedoch, dass er in seiner Grafschaft nicht einmal das Recht zum Ritterschlag erhielt, sondern dies ein Privileg des Hochfürsten verblieb. Arbons Barone andererseits begannen, die harten Maßnamen ihres Grafen gegen diese Machtentwicklung zu fürchten, was sie mehrheitlich gegen das hohe Haus anh Rhack und somit wiederum gegen den Hochfürsten aufbrachte. Auch im Klerus, der sich bisher eher im Hintergrund gehalten und seine politischen Interessen durch den Hochfürsten bedient gesehen hatte, schwanden die Sympathien für den Despoten. Die neue Kritik am Hochfürsten von dieser unerwarteten Seite ist auf ein Umdenken der trigardonischen Priesterschaft in dieser Zeit zurückzuführen. Diese kam langsam zu der Ansicht, dass der Glaube an die Sieben Götter an feste Kirchenstrukturen gebunden und der Klerus einheitlich und gebündelt unter anderem auch politische Agitation an den Tag legen sollte. Diese geistiggeistliche Reform ist stellvertretend zu sehen für die Modernisierung der traditionellen Kräfte des Reiches. Am 7. Sion der 1. Sina 21 n. C. wählten die Mönche des Klosters des Riason Hochwürden Adrian, Priester des Riason zu ihrem Primus inter Pares und somit zum Hohepriester des Riason. Dieser erhielt den Auftrag, ein von allen sieben Kirchen unterstütztes Gremium unter seinem Vorsitz zur klerikalen Herrschaft zu bringen. Der idealistische junge Mann, der für sich in Anspruch nahm, das Kirchenoberhaupt Trigardons zu sein, gründete das Heilige Konzil der Siebenfaltigkeit und gewann den Hochfürsten-Protektor Turaljon anh Arden als ersten Verbündeten bei seiner heiligen Mission. Dieser rief die noch lebenden Mitstreiter des alten Ordens Siebenstreich zusammen, um sich zum neuen Wächter Siebenstreichs küren zu lassen. Der Orden Siebenstreichs wurde neu gegründet und es sind nicht zuletzt Turaljons Cirkater gewesen, wie man in Trigardon die Götterkrieger nennt, die den Hochfürsten aus Altberg befreiten. Der Hochfürst jedoch nutzte zwar gern die Legende von Riamodans heiliger Klinge um seine Macht mit weiteren Brimborien zu schmücken, arbeitete aber gegen seine Heiligkeit Adrian in Kirchenfragen, um nicht einen neuen innenpolitischen Machtfaktor in seine Regierungsgeschäfte einkalkulieren zu müssen. Immer klarer zeichnete sich ab, dass des Despoten politische Taktik an seiner kompromißlosen Haltung zu scheitern begann, die Zahl seiner Feinde wuchs und seine sprichwörtliche Unbestechlichkeit brachte ihn um die Unterstützung der Mächtigen des Reiches. Karoman anh Rhack II. saß bald zwischen den Stühlen, seine Stärke hatte Schwächen. Schließlich waren es Trigardons traditionelle Rebellen, der Stamm der Flutländer, der als erster die offene Rebellion gegen Karoman anh Rhack II. entfachte. Am 24. Sion der 5. Sina 23 n. K. marschierten flutländische Truppen unter dem Kommando von Aribor anh Krul persönlich nach Nordern, um über Tejadun ins Längstal von Arbon vorzustoßen. Die fürstentreue Streitmacht, die den Aufstand niederschlagen sollte, bestand aus den Schwyzer Kriegsknechten, die zur neuen Leibgarde des Hochfürsten geworden waren, den trigardonischen Tafelrittern, arbonischen Stammeskriegern, von Ardor II. gesandt, seinen Großcousin zu schützen, Kämpfern des Kleinen Volkes unter Flint Eisenbrechers Kommando und Turaljon anh Ardens Orden Siebenstreich. Am 2. Sion der 6. Sina trafen die Fürstentreuen und die Aufständischen aufeinander, die Flutländer wurden aufgerieben und Aribor anh Krul von Turaljon anh Arden erschlagen. Vergessen waren an diesem Tage alle tapferen und guten Taten des langjährigen flutländischen Häuptlings. Das heilige Schwert Siebenstreich, welchem Aribor vor drei mal sieben Zirkeln in den heiligen Krieg gefolgt war, führte nun seinen Tod herbei, weil sein Glaube an Götter und Tradition es ihm verboten, einem solchen Hochfürsten zu dienen und weil der Glaube des Wächters Siebenstreich an Götter und Ehre diesem verbot, seinen Hochfürsten nicht zu verteidigen. Der Stamm der Flutländer hat sich bis heute nicht von dieser blutigen Niederlage erholt. Auch der alte Hochfürst Calinop wurde an diesem Tage von Flint Eisenbrecher getötet. In der Grafschaft Dunkelwald war es, als wäre der Flutländeraufstand nicht bemerkt worden, fast so, als wäre nichts geschehen. Karoman II. hielt sich weiterhin für sicher und seine Herrschaft für gesichert. Größere Sorgen machten ihm die Beziehungen zu Altgar und Winningen und die durch den Konflikt mit Burgund herbeigeführte außenpolitische Isolation Trigardons. Das diesjährige Fest der Freundschaft trug eine Schreckensnachricht an Trigardons Hochfürstentafel: Altgarer Truppen hatten die Neutrale altgarer Zone zwischen Trigardon, Winningen und Anrea besetzt! Es gelang den Diplomaten der Scola Scire diese militärische Aggression als Präventivschlag gegen Trigardon darzustellen, weswegen die Grafschaft Winningen Anreas Vorgehen billigte. Die Verlobung zwischen dem Hochfürsten von Trigardon und der Tochter des Grafen von Winningen wurde vom Regenten von Winningen, Bernulf von Crombach annulliert, woran auch der persönliche Besuch Karomans II. nichts ändern konnte. Trigardon wurde bedroht, nach der Niederlage von Altberg und dem Aufstand der Flutländer war es nicht kriegsfähig. Die Scola Scire hatte sich so zielsicher den bestmöglichen Zeitpunkt für diesen Angriff ausgesucht, dass vereinzelt Spionagevorwürfe unter Karomans II. Getreuen geäußert wurden. Am Ende dieses Zirkels kehrte Philonius Phadrack anh Ria nach Trigardon zurück. Mit sich brachte er eine mächtige Söldnerstreitmacht, Waffen und einen ausgereiften Plan. Wieder kämpfte das Haus anh Krul gegen das Haus anh Rhack, wieder war Nordern das Schlachtfeld. Arbonier, Schwyzer, Zwerge und Götterkrieger kämpften für Karoman II., die Flutländer unter Aribors Halbbruder Drebick anh Krul für den Grafen vom Dunkelwald. Der Hochfürst sollte den Tag nicht Überleben. Als die Schlacht auf Messers Schneide stand, gab der erste Kriegsherr von Arbon, Adors II. Halbbruder Jurek, den Schwyzern den Befehl, dem im ersten Glied kämpfenden Hochfürsten die Flucht zu ermöglichen. Der Hochfürst, Jurek anh Rhack, der im Orden Siebenstreichs diente, sowie dessen flutländischer Ordensbruder Trogan verschwanden aus dem Schlachtgetümmel und als außer Jurek keine Zeugen mehr zu sehen waren, mordete Trogan Karoman anh Rhack II., den Hochfürsten von Trigardon.


§ VI Quellen zur historischen Sicherheit

Gedankt sei Freiherr Adalbert zu Stegebreck, der als Scriptor des Hochfürsten Karoman anh Rhack II. dessen Herrscherjahre genau dokumentierte, möge seine Seele sicher in Riadugoras Hallen verweilen bis zum Tage seiner Wiedergeburt.



Die Ära Phosphoros

§ I Des Siegers Kanzler

Philonius Phadrack anh Ria ist ein friedliebender Mann. Philonius Phadrack anh Ria ist kein Mann des Schwertes sondern ein Mann der Feder, kein Herrscher sondern ein Mann, der sein Leben zurückgezogen den arkanen Studien zu widmen wünscht. Und weil Philonius Phadrack anh Ria eine ausgleichende und kompromißfähige Regierung wünschte, ließ er keinen neuen Hochfürsten zu, sondern setzte eine Übergangsregierung unter der Führung eines Regenten, der in Trigardon „Erzkanzler“ genannt wurde, ein. Die Grafschaften gewannen an Autonomie, der Erzkanzler stützte seine Macht auf den Grafen von Dunkelwald und – überraschenderweise – auf den Grafen von Arbon. Wer jedoch war jener neue Herrscher, der auch ohne politische Säuberungen an der Macht zu bleiben gedachte, der sowohl vom Grafen des Dunkelwaldes, als auch vom Grafen von Arbon akzeptiert wurde, sich aus dem niemals enden wollenden Stammeskonflikt heraushielt und es vermeiden konnte, in die großen theologischen Meinungsverschiedenheiten der sieben trigardonischen Kirchen hineingezogen zu werden, die seit der Gründung des heiligen Konzils der Siebenfaltigkeit zwischen der Priesterschaft des Riason und den anderen sechs Klöstern bestehen? Dem Grafen von Dunkelwald gelang die gewaltige Tat, einen Mann des Kompromisses im Reich der inneren Gegensätze zum Regenten zu machen: Seine Erlesenheit Phosphoros, seines Zeichens Groszmeisterarkan, Baron und Geheimnisträger ersten Grades des Klosters des Riasion, bekannt als der mächtigste Magier Trigardons. Als solcher war er eng vertraut mit der „Arkangrafschaft“ Dunkelwald, als ehemaliger Hofmagier Karomans II. verband ihn Freundschaft mit dem Grafen von Arbon und durch seine Rolle bei der Lösung des göttlichen Rätsels um die heilige Sonnenklinge war er mit Hochwürden Estron, der als Cirkater seit Turaljon anh Ardens ungeklärter Ermordung Ordensvorsteher des Ordens Siebenstreich war, ebenfalls in Freundschaft verbunden. Allein die Flutländer hatten wenig mit Phosphoros gemein, waren aber durch die hohen Verluste in den beiden Aufständen gegen Karoman II. in die politische Bedeutungslosigkeit geraten. Erzkanzler Phosphoros versuchte, seine gemäßigten Regierungstätigkeiten, die innenpolitisch den meisten Mächtigen zum Vorteil gereichten, auch außenpolitisch umzusetzen, biß aber hinsichtlich Anreas auf Granit. Die Scola Scire war keinesfalls bereit, den begangenen Vertragsbruch rückgängig zu machen und die neutrale Zone Altgars zu räumen, auch Winningen veränderte seine Haltung zum Hochfürstentum nicht. Was jedoch Trigardons Nachbarn versäumten, begriffen viele Reiche Mittellands als Chance: Die Freundschaft des „Reiches der drei Geister“ zu gewinnen. Die Innenpolitik des Erzkanzlers stand erneut im Zeichen des Feudalismus, die Hoffnungen des Stammes der Flutländer wurden somit enttäuscht, die eine traditionellere Politik gewünscht hatten. Keine großen Taten waren es, mit denen sich seine Hoheit Phosphoros auszeichnete, sondern viele kleine Reformen. So gelang es der Erzkanzlei mit Hilfe neu erschlossener Bodenschätze, den Reichsschatz zu sanieren. Auch der Außenhandel Trigardons erlangte eine neue Blüte.

§ II Von Arbon und Flutland, oder: Der ewige Gegensatz

Ardor anh Rhack II. blieb nach dem Tode Aribor anh Kruls als der unbestritten mächtigste Graf Trigardons zurück. Der Großmeisterarkan Phosphoros übertrug ihm die Befehlsgewalt über die trigardonischen Truppen, seitdem ist der Graf von Arbon auch Herzog von Trigardon. Doch nicht genug damit, auch bekehrte sich Ardor II. zur theologischen Schule des Danason, einem Cirkaterorden, der nicht zum Orden Siebenstreichs gehörte und in der Hauptsache Riasion und Riamodan verehrt. Trotz anfänglicher Meinungsverschiedenheiten schlossen sich beide Gruppen, der Orden Siebenstreichs und die Bruderschaft des Danason im Jahreswechsel 24/25 n. K. zum „Schwert der Sieben“ zusammen. Alles in allem war Ardor anh Rhack II. nicht nur Trigardons höchster Adeliger mit der mächtigsten Grafschaft im Rücken, sondern ein Cirkater mit begrenzten religiösen Befugnissen. Der Gegensatz zu Flutland war niemals geringer: Drebick anh Krul zog sich in die nördlichen Sümpfe seiner Grafschaft zurück und hinterließ seinen Stamm führerlos. Die traditionelle flutländische Jagdwirtschaft war den Herausforderungen der feudalistischen Zeit nicht gewachsen, es kam zur Hungersnot in den alten Reichen. Die Edelsteinfunde im nördlichen Bett des Arbo kamen Trigardons Außenhandel, nicht aber dem Stamm des Ischan zugute, in Flutland begannen die jungen Männer damit, in den Süden zu wandern, um sich als Söldner zu verdingen. Die Tragödie der Söhne und Töchter der Flutlande war komplett.

§ III Trigardon, das Hochfürstentum mit den vier Grafschaften

Das Jahr 24 n. K. brachte so großen Ruhm nach Trigardon, daß es die Schmach vom Krieg gegen Altberg mehr als ausglich. Die nach Karomans II. Rückkehr nach Trigardon begonnene Blockadepolitik gegen den aufwieglerischen Grafen verfehlte seine Wirkung über zwei Jahre lang, zu Beginn des dritten Jahres mußte jedoch die kleine und wirtschaftlich nicht unabhängige Grafschaft ihre Eigenständigkeit aufgeben und Uwe I. von Altberg abdanken, gegen Geld verkaufte er, was er mit Krieg aus dem Schoße Trigardons schnitt. So blieben die Fest- und Flutlande Sieger im Frieden, obwohl der Krieg verloren ward. Erneut zeigte sich, wie erfolgreich der umsichtige Erzkanzler der Währungsreformen war.


§ IV Ein Schatten im Glück

Die skotische Baronie Montrowia (die ihren Namen einem Kartographen verdankt, der aus dem Klan der Montrose, den Klan der Montrows machte), in dem das Dorf Cernadun liegt, gehört zu den wichtigsten Länderreien zwischen Altberg und Arbon. Im Winter sind allein die Pässe dieses Landes gangbar. Im Spätherbst des Jahres 24 n. K. war die ganze Baronie unpassierbar. Der Clan Montrose war unauffindbar und als die Ernte eingeholt werden sollte, zeigten sich die Bauern Montrowias ungehorsam. Ein erstes Expeditionscorps verschwand spurlos, ein Zweites unter der Führung des Ordensvorstehers des Ordens Siebenstreich, Hochwürden Estron und unter der Anleitung des ersten Kriegsherrn von Arbon, Jurek anh Rhack, wurde bei Nacht und Nebel von einer Streitmacht überrascht, angegriffen und geschlagen. Seine Eminenz Denubis, zweiter Legat Riacommons und äußerster Abgesandter des Heiligen Konzils der Siebenfaltigkeit, kam dabei ums Leben. Bei den Angreifern handelte es sich nicht um gewöhnliche Sterbliche, es handelte sich um tote montrowische Bauern, die Streitmacht war eine Streitmacht von Vampiren und anderen Untoten. Zwar berichteten trigardonische Priester schon seit den Jahren um 14 n. K. von Umtrieben chaotischer, bösartiger Mächte in Trigardon, aber das plötzliche Auftauchen dieser massiven Bedrohung gebar Gerüchte von besonderer Qualität, der Name der Scola Scire wird seit diesem Vorfall von den Bauern Südarbons nicht mehr voll Wut, sondern auch voll Furcht ausgesprochen. Ardor anh Rhack II. sammelte fieberhaft alle rechtschaffenen Krieger, derer er habhaft werden konnte, auch von weit her kamen die Verbündeten, wie etwa die tapferen Recken Vadas und der Orden der Thanee. Am 22. Sion der 6. Sina 25 n. K. wurden die Untoten von einer mächtigen arbonischen Streitmacht geschlagen und das strategische Genie des Herzogs von Trigardon hatte nur eine nichtige Zahl von Verlusten zu beklagen - aber den mächtigsten der Vampire gelang die Flucht.


§ V Quellen zur historischen Sicherheit

Gedankt sei den Edlen und Gottesfürchtigen, die die letzten drei Zirkel der Geschichte Trigardons noch nicht vergessen haben. Gedankt sei den Mönchen und Priestern und Magiern und Kriegern, denen das Reich am Herzen liegt und die ihre Arbeit für Trigardons Übergangsregierung in dieser Chronic der Nachwelt ins Gedächtnis legen. Gedankt sei der Erzkanzlei des Phosphoros.