Der Arbonische Staat - Politische Gruppenbildung

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Politische Gruppenbildung

Emendons Reich ist davon gekennzeichnet, dass Meinungsbildung und Entscheidungsfindung von der untersten Ebene bis hin zum hochfürstlichen Hof auf Basis persönlicher Kontakte und Netzwerke erfolgen. Auf die langfristige Stabilität dieser Netzwerke wird in der Regel mehr Wert gelegt, als auf ideologisch vorgegebene Programme. Die Treue zum persönlichen Netzwerk ist wichtiger als die Treue zu einer politischen Linie.

Das bedeutet nicht, dass politische Gruppenbildung nicht auch anhand politischer Philosophien erfolgt ist. Doch im heutigen Trigardon spielen ideologische Konflikte keine nennenswerte Rolle mehr. Allerspätestens mit der Reichsteilung gelten die Grundfragen in Emendons Reich als abschließend geklärt. Alle politischen Akteure müssen sich im Rahmen von Recht und Sitte, gemäß der politischen Kultur bewegen. Lediglich in losen politischen Tendenzen lassen sich noch die verwischten Spuren vergangener Grabenkämpfe finden: Die Stimmung in den großen Klöstern und Tempeln gilt als eher reformorientiert, während die Stimmung in den Haushalten freier und edler Sippenoberhäupter eher als traditionalistisch wahrgenommen wird. Doch von diesen Tendenzen geht keine Bindungskraft aus. Es sind keine "Parteien" und von niemandem wird erwartet, konsequent eine der beiden "Linien" zu verfolgen. Sie stellen eher die rhetorischen Grundmuster des politischen Diskurses bereit. Wer sein Handeln sowohl auf die eine, als auch auf die andere Weise begründen kann, ist überzeugend und wer nur eine der beiden Stimmungen bedienen kann, dem wird schnell ein Mangel an Frömmigkeit oder Sittsamkeit vorgeworfen. Der ideologische Mythos des arbonischen Staates proklamiert, dass man sich erfolgreich auf dem Pfad der Tugend positioniert hat, zwischen den Abgründen (flutländischer) Barbarei und (riasinatischem) Sittenverfall.

Die Gruppenbildung findet anhand von sozialen Beziehungen statt. Z. B. hat jeder Bewohner von Emendons Reich eine Haushaltszugehörigkeit, Verwandtschaft und Zugehörigkeit zu einem Heerführer bzw. Heerverband. Eine Fülle von Rechtsbestimmungen, Gewohnheiten und diverser anderer Kulturtechniken dient dazu, diese Beziehungen zu gestalten, zu hierarchisieren und überhaupt erst herzustellen. Beispiele dafür sind Grundherrschaft, Wehrpflicht, wechselseitige Abhängigkeit von Status und Heerfolge, Vormundschaftsverhältnisse über Sippengrenzen hinaus, Ständehierarchie, Fürsorgepflicht der Reichen, Vasallität, Autorität von Sippenoberhaupt und Haushaltsvorstand, Ahnenkult, arrangierte Ehen, Konkubinate und Adoptionen, Patronage, Geiseltausch, etc. Allen diesen Normen ist gemein, dass sie nicht nur als abstrakte Regeln vorhanden sind, sondern stets auch ein persönliches Element beinhalten. Manchmal geht es nicht über Symbolhandlungen hinaus (Bruderkuss zwischen Adeligen), manchmal berührt es intimste Bereiche (arrangierte Ehe). Grundsätzlich gilt aber immer, dass gewichtige Rechts- und Geschäftsbeziehungen als gegenseitige soziale Bindung personalisiert werden.

Obwohl man sich dafür durchaus auch der Schriftform bedient, sind politische Ritualhandlungen das wichtigste Mittel zum Herstellen von Öffentlichkeit. Zu diesem Zweck greift man auf eine Reihe tradierter Formen der Selbstdarstellung zurück, in denen man ein quasi-familiäres Verhältnis zwischen den wichtigsten Teilnehmern inszeniert. Beim Herdsegen sind alle "Schwestern", bei der Synode alle "Brüder und Schwestern", auf der Heerversammlung kommen die "Söhne" des Hochfürsten zusammen, das Stammesthing bemüht die Fiktion einer Ratsversammung von Haushaltsvorstand und Schutzbefohlenen, beim Gerichtstag schlichtet die "Mutter" der Lehnsuntertanen. Natürlich eignen sich auch alle Arten von Feiern und Festen besonders gut zur familiären Inszenierung. Durch Symbolhandlungen signalisieren die Teilnehmer dieser Rituale ihre Zustimmung, ihre Ablehnung zeigen sie durch demonstrativen Boykott.

Diese konsensorientierte Symbolpolitik kann leicht darüber hinwegtäuschen, dass die breite Masse von politischer Teilhabe ausgeschlossen ist und auch die Angehörigen der Elite ihren Einfluss nur entsprechend ihres Ranges innerhalb eines hierarchischen Sytems geltend machen können. So lassen sich die Themen und Ziele politischen Handelns grob in drei Hierarchieebenen einteilen:

  • Hochfürst, lokale Oligarchen und die wichtigsten Amtsträger in Klerus und Verwaltung bilden einen Personenkreis, den man "die Großen" nennt. Auf ihrer Ebene kümmert man sich um das Schicksal des Reiches. Die Großen verhandeln Gesetzgebung, Kriegs- und Bündnispolitik zwar auch nicht gänzlich allein, doch ihre Meinung ist maßgeblich.
  • Auf Heerversammlungen (im Kriegsfall wie im Frieden) ist es üblich, dass Heerführer die Zustimmung der Reiter zu bestimmten militärischen Schritten einholen. Politische Kontroversen werden dort nicht ausgetragen, aber der Hochfürst und andere politische Führer sind durch diese Sitte immerhin dazu gezwungen, der Kriegerelite ihre Vorhaben überzeugend darzulegen.
  • Schließlich gibt es die verschachtelten lokalen Ebenen der Politik, auf der Grundherren, lokale Oligarchen, die wichtigsten Grundbesitzer und angesehensten spirituellen Autoritäten miteinander die Angelegenheiten des alltäglichen Miteinanders regeln, Recht sprechen, Fehde führen, Rechte und Privilegien verteidigen und erringen. Viele dieser Akteure haben ein Vasallenverhältnis zu ihrem lokalen Oligarchen und zum Hochfürsten. Über ihre Verpflichtung zur Beratung ihres Patrons können sie indirekt Einfluss auf die Reichspolitik nehmen. Auch Geistlichen und Kundigen steht diese Möglichkeit grundsätzlich offen. Die Großen sind natürlich auf der lokalen Ebene ebenfalls vertreten. Man weiß aber durchaus zwischen den Politikfeldern "Reich" und "lokale Ebene" zu differenzieren.

Edle Sippen und freie Sippen

Die politische Kultur postuliert, dass die Sippenzugehörigkeit die wichtigste aller politischen Bindungen ist. Es gibt ein paar Abweichungen von dieser Grundregel, aber im Normalfall wird erwartet, dass Jeder sich der Autorität des eigenen Sippenoberhauptes unterwirft und die Sippensolidarität gegenüber allen anderen Verpflichtungen Priorität genießt.

Natürlich reibt sich dieses Postulat an der Realität. Die Ahnenkulte suggerieren, dass Sippenzugehörigkeit überzeitlich und unentrinnbar ist. Nur das Sippenoberhaupt kann aufgrund seiner besonderen Beziehung zu den Ahnen Angehörige durch Verheiratung aus dem Sippenverband "entlassen". Aber die Autorität des Sippenoberhauptes basiert nicht wirklich auf Verwandtschaft und Magie. Damit wird Macht zwar sehr erfolgreich legitimiert, sie ist aber nicht ihre eigentliche Quelle. Die Sippe spielt nur dann jene zentrale Rolle, die die politische Kultur ihr zuweist, wenn sie ihren Angehörigen ein funktionierendes Klientelsystem bereitstellt, in dem das Sippenoberhaupt die Patronage ausüben kann. Und dafür braucht es wirtschaftliche Ressourcen, um sie gemäß einer durch Verwandtschaftsgrad bestimmten internen Hierarchie an die Sippenmitglieder zu verteilen. Der Sippenverband zeigt deutliche Auflösungserscheinungen, wenn er zu klein ist um als Interessengruppe zu agieren oder wenn er keinen Grundbesitz (im Sinne von Nutzungsrechten auf Bodenressourcen) hat. Diese Situation wird dann dadurch sichtbar, dass z. B. überproportional viele Mitglieder in andere Sippen einheiraten, die Autorität des Sippenoberhauptes nur mangelhaft respektiert oder sogar offen untergraben wird, der Ahnenkult sich verändert oder sich die ganze Sippe kontrolliert einer anderen Sippe anschließt, was die friedlichste Variante darstellt.

Aus verschiedenen Gründen können sich Sippen auch aufspalten:

  • Wenn ein Sippenmitglied am "Rand" des Stammbaums des Sippenoberhauptes aus irgendwelchen Gründen plötzlich größeren Besitz hat, als das Sippenoberhaupt. Die Trennung der Sippe kann durch kluge Heiratspolitik verhindert werden, indem das neureiche Mitglied oder seine Kinder entweder in eine andere Sippe oder intern in das Zentrum des Stammbaums verheiratet wird. Gelingt solch ein Manöver nicht, entsteht rund um das neureiche Sippenmitglied sofort oder in Nachfolgegenerationen ein neuer oder modifizierter Ahnenkult. Selbstverständlich sind Konflikte mit der alten Sippe vorprogrammiert.
  • Wenn Konflikte so sehr eskaliert sind oder zu eskalieren drohen, dass die Autorität des Sippenoberhauptes nicht ausreicht, um die Gräben zu überbrücken. Diese Situation tritt eigentlich nur in Verbindung mit einer Nachfolgekrise bzw. einem Erbschaftsstreit auf.
  • Wenn sich eine kritische Menge von Sippenangehörigen so weit entfernt vom Grundbesitz ihres Sippenoberhauptes niederlässt, dass dessen Patronage ihnen keinen Vorteil mehr bringt. Das ist immer wieder geschehen und wiederum eine eher friedliche Variante. Aus diesem Grund gibt gibt es in der Ostprovinz ein paar neue "quasi-arbonische" Sippen.

Ist die Sippenzugehörigkeit also die wichtigste aller politischen Bindungen? Bei wirtschaftlich wenigstens halbwegs erfolgreichen Sippen (und nur bei ihnen spielt diese Frage eine Rolle) lautet die Antwort "Ja" – in Arbon. Doch in Altberg und der Ostprovinz lebt nur eine Minderheit der Bevölkerung in Sippenverbänden oder vergleichbaren Verwandtschaftsgruppen. Die öffentliche Meinung geht auf zwei Weisen damit um: Einerseits kommen die Bewohner dieser Grafschaften zuweilen nicht besonders gut weg, wenn es um die Bewertung ihrer Tugenden geht. Implizit unterstellt man ihnen mangelnden Familiensinn und Sittenverfall. Andererseits bemüht man abenteuerliche Konstruktionen künstlicher Verwandtschaft, die Arbonier untereinander niemals akzeptieren würden – für die "armen" Bewohner Altbergs und der Ostprovinz ist man da großzügiger.

Was bedeutet das für die Gruppenbildung in diesen Grafschaften? Für die Freien heißt das, dass ihren Grundherren eine größere Bedeutung zukommt: Sie übernehmen einen Teil der Funktionen freier Sippenoberhäupter (z. B. arrangieren sie gegebenenfalls Ehen von Lehensuntertanen) oder deligieren sie an respektable Untertanen (indem man z. B. in der Ostprovinz regionale "Älteste" als Friedensrichter wählen lässt). Für gewöhnlich sind die lokalen Verhältnisse etwas übersichtlicher als in Arbon. Für "barbarisch" geborene Edle wirkt sich das Fehlen des Sippenverbandes so aus, dass ihre Erbfolge als bedroht oder wenigstens sehr wackelig anzusehen ist. Daher gibt es den impliziten Druck, in eine edle arbonische Sippe einzuheiraten oder ein Patronageverhältnis zu ihr einzugehen.

Wann ist der Stand einer Sippe "edel" oder "frei"? Unabhängig davon, als wie alt oder ehrwürdig sie gilt, welche Geschichte sie durchgemacht hat und welche Mythen sie pflegt, gibt es im heutigen arbonischen Staat ein sehr einfaches Kriterium um zu bestimmen, ob eine Sippe edel ist oder nicht: Eine Sippe ist edel, wenn eines seiner Mitglieder Grundherrenrechte hat oder hatte. Grundherrenrechte werden nicht an ganze Sippen, sondern (zumindest nominell) als Lehen an Einzelpersonen (de facto an Ehepaare) vergeben. Rein formal können nur Barone und Grafen ihre Rechte vererben. Trotzdem ist es extrem unwahrscheinlich, dass eine Sippe die Grundherrenrechte wieder verliert, die eines ihrer Mitglieder einmal bekommen hat.

Denn Grundherrenrechte erzeugen Vasallenverhältnisse, aus denen sich die Pflicht eines Lehnsherren ergibt, den Status der Angehörigen seiner Vasallen nach Kräften zu erhalten. Wenn ein Grundherr stirbt, wird sein Lehnsherr dessen Rechte innerhalb der Sippe des Verstorbenen neu vergeben. Er wird dabei "sittsam" vorgehen und Rücksicht auf die Rangfolge innerhalb der Sippe seines Vasallen nehmen. Der Normalfall für eine edle Sippe ist, dass ihr Oberhaupt oder ihr/sein Ehegatte oder ihr/sein direkter Erbe oder dessen/deren Ehegatte die wertvollsten Grundherrenrechte (z. B. das größte Ritterlehen) hält, die in der Sippe vorhanden sind.

Es besteht formaljuristisch kein Verhältnis von freien Sippen zur gesamten Sippe ihres Grundherrn. Vielmehr ist es so, dass alle Freien, die einen Haushalt innerhalb einer Grundherrschaft haben, einer persönlichen Rechtsbeziehung zum Grundherrn unterliegen. Aber die Grenzen der Grundherrschaften in der Grafschaft Arbon verlaufen wenn möglich immer entlang der Grenzen des Grundbesitzes freier Sippen. Ein kleines Ritterlehen muss daher nicht unbedingt ein zusammenhängendes Gebiet sein, Angehörige der gleichen grundbesitzenden Sippe werden jedoch immer der gleichen Grundherrschaft zugehören. So entsteht die Situation, dass sich in Arbon mehrere freie Sippen gewohnheitsmäßig um eine edle Sippe gruppieren, auch wenn das Recht gar keine Verpflichtungen ganzer Sippen zueinander verfügt.

Die gewohnheitsmäßige Gruppierung mehrerer freier um eine edle Sippe ist nur in Einzelfällen durch die gesetzliche Fixierung der Grundherrschaft entstanden. In der Regel war es umgekehrt: Mehrere Sippen waren es gewöhnt, Heerführern aus einer anderen Sippe Heerfolge und Tribute zu leisten. Anhand dieser Beziehungen wurden die Grenzen der meisten Verwaltungs- und Gerichtsbezirke gezogen. Deshalb wurden sie teilweise schon als Heerverbände gedacht, als es noch keine fest umrissenen Grenzen und keine Namen für sie gab. Sie sind Grundbausteine des Heeres und wurden oft erst viel später auch zu Gerichtsbezirken und Wirtschaftsräumen.

Obwohl die Wehrpflicht der Freien rechtlich und gewohnheitsmäßig primär eine Beziehung zum Grafen bzw. Staatsoberhaupt darstellt, nutzen die Grundherren ihre Stellung auf der "mittleren Führungsebene" des Heeres sowie ihre größere soziale Nähe zu den Stammeskriegern, um bei ihnen persönliche Loyalitäten zu erzeugen. Insbesondere die lokalen Oligarchen pflegen Patronageverhältnisse zu den wohlhabenden Freien ihrer Verwaltungsbezirke. Durch das Verteilen von regelmäßigen Ehrungen, Gefälligkeiten, Geschenken und Sicherheitsgarantien können sie sich auch unabhängig von Verwandtschafts- und Vasallenverhältnissen auf ein motiviertes Reitergefolge stützen.

Spielt der Stand der Freien also eine politische Rolle im arbonischen Staat? Nicht nicht in seiner Gesamtheit. Freie Sippenoberhäupter und Reiter haben die Macht, Handlungen ihrer Grundherren und Heerführer zu erschweren oder zu erleichtern. Ihre Loyalität gilt in erster Linie dem eigenen Grundherrn, unter Umständen kann einigen von ihnen aber die Beziehung zum lokalen Oligarchen wichtiger sein. Man kann davon ausgehen, dass sie sich an der Seite ihres regionalen Adels auch auf offene Konflikte mit dem Staatsoberhaupt einlassen, wenn die Argumente für einen solchen Schritt nicht zu schlecht und die Erfolgsaussichten nicht zu gering sind. Davon abgesehen beschränkt sich ihr Einfluss auf die jeweils eigene Sippe und den eigenen Grundbesitz.

Wie wichtig ist die Wehrpflicht der Freien auf lokaler und auf Reichsebene? Ihre militärische Bedeutung ist kaum zu unterschätzen. Obwohl die kriegerischen Auseinandersetzungen in den letzten Jahrzehnten oft nur noch mit kleineren Reiteraufgeboten ausgetragen wurden, ist die Option zum Aufstellen großer Stammeskriegerheere nicht nur zur Landesverteidigung von strategischem Interesse. Doch die soziale und gesellschaftspolitische Bedeutung der Wehrpflicht in Arbon, Altberg und der Ostprovinz ist mindestens ebenso groß.

Je reicher und angesehener ein Haushalt ist, desto eher wird Kriegsdienst dort als etwas höchst ehrenhaftes empfunden. Die Wohlhabenden ziehen nicht nur freiwillig, sondern unter Umständen sogar gerne an der Seite des Grundherrn in den Krieg. Aus diesem Grund verfügt Emendons Reich über ein größeres Reiterheer, als wenn es sich nur aus dem Stand der Edlen rekrutieren würde. Die Investitionen lokaler Oligarchen in ihre persönlichen Haustruppen sind also nicht als Provokation des Staatsoberhauptes zu verstehen, sondern werden von ihm überaus gern gesehen.

Kleinbauern und Pächter dagegen spüren die durch Wehrpflicht verursachten Arbeitsausfälle wesentlich mehr und entsprechend geringer ist ihr Enthusiasmus, das Heer als Fußkämpfer zu verstärken. Doch auch sie sind von kriegerischen Werten geprägt. Wenn im Haushalt keine Waffen vorhanden sind oder sich nicht wenigstens ein wehrfähiger Mann regelmäßig zu Übungen, Jagdausflügen und Manövern sehen lässt, gehört man nicht richtig dazu. Man wird vor Gericht nicht so ernst genommen, sitzt beim Familienfest ganz unten am Tisch, die Grundherrin macht beim Herdsegen böse Bemerkungen, etc. In der Grafschaft Arbon droht das Gesetz Freien sogar mit Standesverlust, wenn in ihrem Haushalt niemand mehr lebt, der Waffendienst leisten könnte. Auch wenn man dieser Drohung nur ungern Konsequenzen folgen lässt und für Kriegswitwen und ähnlich gelagerte Fälle Ausnahmen gemacht werden, verfehlt sie ihre Wirkung nicht. Es ist seit Alters her so, dass nur Jene als "frei" zu gelten haben, die ihre Freiheit auch mit Waffen verteidigen können.

Beziehungen zwischen Edlen

Die Sippenzugehörigkeit gilt also als wichtigste kollektive Verbindung. Für ihr Vorhandensein bedarf es keines eigens geschlossenen Vertrages. Sie basiert auf magischen Vorstellungen von Verwandtschaft, wird als überzeitlich und unkündbar verstanden. Das hat sie mit Stammes- und Reichszugehörigkeit gemein. Aber politische Verträge werden nicht zwischen Kollektiven, sondern zwischen Individuen geschlossen. Je nachdem, welche Personen welche Art von Vertrag schließen, können daraus zwar Verpflichtungen zu ganzen Gruppen entstehen, was dann daran liegt, dass die Vertragspartner ihre Repräsentanten sind. Doch auch dann folgen sie der Logik von Verträgen zwischen Einzelpersonen. Es wird nämlich nur punktuell oder überhaupt nicht differenziert, ob jemand eine Verpflichtung als "Privatperson" oder als "Repräsentant" eingeht.

Leistung und Gegenleistung bei diesen Verträgen lässt sich nicht ohne weiteres in moderne Verhältnisse übersetzen. Man tauscht nicht "Arbeit" gegen "Lohn", wie wir es unter dem Blickwinkel der uns in der realen Welt umgebenden Marktgesellschaft gewöhnt sind. Lohnarbeit, aus der den Vertragspartnern später keine nennenswerte persönliche Verpflichtung mehr erwächst, gibt es zwar auch in Trigardon, sie wird aber eher als Verlegenheitslösung angesehen. Sie gilt als die Vertragsform, die man mit sozial schwachen Außenseitern abschließt. "Ehrenwerte" Partner tauschen nicht "Leistung gegen Bezahlung", sondern "Loyalität gegen Sicherheitsgarantie". Das Geschäft ist also eher mit dem heutigen Abschluss einer Versicherung zu vergleichen. Nur würde man sie nicht mit regelmäßigen Zahlungen erwerben, sondern damit, dass man sich nach Kräften für ihre Interessen einsetzt (und es wäre ein normaler Vorgang, dass sich die Rollenverteilung von Versicherer und Versichertem zwischendurch auch mal umkehrt). Daher haben so ziemlich alle nennenswerten politischen Beziehungen in Trigardon eine klientelistische Komponente. Sie unterscheiden sich voneinander in Verbindlichkeit, Dauer, Grad der Formalisierung, Grad der Hierarchisierung, der Frage kollektiver oder individueller Gültigkeit und der genauen Art der jeweils zu erwartendenden Leistungen. Doch ist ihnen allen gemein, dass den Vertragsparteien eine Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung, Förderung und Absicherung entsteht. Das muss nicht immer in den expliziten Vertragsbedingungen enthalten sein – es gehört als "Treue" zum moralischen Verhaltenskodex.

Diese Verträge lassen sich grob in drei Gruppen einteilen:

  • Vasallenverbindungen
  • Lehensverträge
  • sonstige Formen von Patronage und Bündnisbildung

Diese Unterteilung kann nicht trennscharf erfolgen, weil die Vertragsformen sich zum Teil gegenseitig bedingen. Ein Lehensvertrag kann eine Vasallenbindung erzeugen (muss aber nicht), eine Vasallenbindung oder ein Lehensvertrag kann Bestandteil eines anderen Patronageverhältnisses sein, allen Formen ist die klientelistische Komponente gemein.

Das arbonische Verständnis von Vasallität

Sehen wir uns zunächst die Vasallität an: Sie orientiert sich an Vorbildern aus dem Sippenwesen und liefert ihrerseits wiederum die Vorbilder für alle anderen Patronageverhältnisse. In ritualisierter Form gehen zwei ungleiche Partner einen quasi-familiären, vorgeblich unkündbaren Bund ein, dem magische Eigenschaften zugesprochen werden. Der eine Partner ist "Patron", auch "Senior", "Herr" oder (falls er dem anderen Partner Grundherrenrechte verleiht) "Lehnsherr" genannt. Der andere Partner wird durch den Vertragsabschluss "Vasall". Es handelt sich zwar um ein hierarchisches Verhältnis, aber beide Seiten haben Verpflichtungen füreinander und beide Seiten werden an ihrer Vertragstreue gemessen.

Die Pseudo-Verwandtschaft zwischen Patron und Vasall ahmt das Verhältnis von Sippenoberhaupt zu Sippenangehörigen nach, verwendet den Ahnenkulten entliehene magische Elemente (z. B. durch Schicksalsmächte einzulösende Glücksversprechen und Fluchandrohungen) und bedient sich der Symbolsprache des Haushaltes. Doch die Vasallität entstammt nicht diesem "mütterlichen" Bereich, sondern der "väterlichen" Sphäre des Heeres. Ursprünglich ging es darum, Heerführern treue Gefolgsleute über Sippengrenzen hinaus zu verschaffen. Daher war diese Vertragsform früher einzig und allein eine Angelegenheit unter Kriegern – erst seit 34 n. K. listet das Gesetz auch die "Edelfrau" als Vasallentitel.

Die Verpflichtungen der Partner werden mit der Kurzformel "Rat und Dienst" (des Vasallen) gegen "Schutz und Hilfe" (des Patrons) beschrieben. Was damit konkret gemeint ist, interessiert hier weniger – ein eigener Artikel beschreibt das genauer. Bedeutsam für die politische Gruppenbildung ist die Verpflichtung des Patrons, den Status der nächsten Angehörigen seines Vasallen (in erster Linie Kinder und Ehepartner) gemäß seiner Möglichkeiten abzusichern. Wenn der Patron nun aber selbst Sippenoberhaupt oder Ehepartner eines Solchen ist, entsteht die Erwartungshaltung, dass er sein Schutzversprechen mit Unterstützung seiner ganzen Sippe erfüllt. Wenn der Vasall Sippenoberhaupt oder Ehepartner eines Solchen ist, hat der Patron die implizite Verpflichtung, seine Sicherheitsgarantie auf die ganze Sippe des Vasallen auszudehnen. Im Gegenzug erwartet er natürlich auch die Unterstützung aller Angehörigen dieser Sippe.

Daraus ergeben sich zwei widersprüchliche Tendenzen: Vasallenverbindungen können in Konkurrenz zur Patronage des Sippenoberhauptes geraten und dadurch Solidarität und Autorität von Sippenverbänden schwächen, aber sie können diese Patronage auch ergänzen und absichern, wodurch die Autorität des Sippenoberhauptes gestärkt wird. Beides geschieht ständig und überall in Emendons Reich, doch die Verhältnisse hatten ein gutes halbes Jahrhundert Zeit, um sich einzupendeln. Inzwischen ist der Stand der Edlen hierarchisch gegliedert und nach Unten klar abgegrenzt. Auch können nur noch Edle Vasallenstatus erlangen. Die mächtigsten Sippenoberhäupter üben Patronage über eigene Sippenangehörige und Sippenangehörige von Vasallen aus, während die weniger mächtigen Sippenoberhäupter vorwiegend nur Patronage über eigene Sippenangehörige ausüben. Man achtet heute verstärkt auf die Einhaltung traditioneller Normen und respektiert das Veto- bzw. Mitspracherecht aller edlen Sippenoberhäupter zu allen Vasallenverbindungen, die ihre Sippenangehörigen eingehen wollen (egal ob diese dadurch Jemandes Vasall oder Patron werden). Wer dieses Recht missachtet, setzt sich der Verachtung durch die öffentliche Meinung aus und zieht den Zorn der Verwandtschaft auf sich.

Parallel zu dieser Entwicklung entstand Trigardon. Edle Sippenoberhäupter wurden zu Grundherren und lokalen Oligarchen, Stammesoberhäupter wurden zu Grafen, der Gesamtheit wurde ein Staatsoberhaupt aufgesetzt, schließlich beanspruchten die mächtigsten beiden Grafen die Position des Staatsoberhauptes für sich selbst und teilten das Reich auf. Welche Rolle spielte die Vasallität bei der Reichsbildung und welche Bedeutung hat das für die heutige politische Gruppenbildung?

Mit der Reichsgründung wurde das Glücksversprechen der Ahnenkulte auf eine neue Ebene gehoben. Die Schicksalsmächte, die als Schutzpatrone des neuen Gemeinwesens mobilisiert wurden, waren nun "Die Sieben Großen Und Herrlichen Götter" selbst (und natürlich noch viele zusätzliche Ahnengeister, Heilige und Nebengötter). Dem Staatsoberhaupt wird ein besonderes Verhältnis zu ihnen zugewiesen, mit dessen Hilfe ihm zusätzliches Glück zur Verfügung steht, um damit alle Stämme des Reiches zu beschützen. Dank dieser Vorstellungen konnte das Hochfürstenamt Quelle von Institutionen, insbesondere von Adelstiteln werden. Die Rechtsbeziehungen, in denen die heutigen Adelstitel stehen, folgen nur mit viel gutem Willen der intiutiven Pyramidenform. Ihre heutige Ausgestaltung ist das Ergebnis von zwei Jahrzehnten voller komplizierter unterschwelliger und offener Machtkämpfe. Aber alle diese Rechtsbeziehungen sind sukzessiv als Verhältnisse zwischen Patron und Vasall gestaltet worden, so dass die beiden Gruppen "titulierte Adelige" und "Vasallen" heute deckungsgleich geworden sind. Das bedeutet, dass "Ritter" und "Edelfrau" dem Gesetz nach als Adelstitel gelten, selbst wenn mit diesen Titeln allein gar keine realen Herrschaftsrechte verbunden sind und viele von ihnen de facto nicht mehr als Gutsverwalter und Panzerreiter sind.

In Emendons Reich sind folgende Rechtsbeziehungen zwischen Adeligen per Gesetz vorgegeben:

  • Der Hochfürst ist Vasall der Götter, Patron der Barone der Ostprovinz, Patron aller Grundherren Altbergs sowie theoretisch Patron aller Grafen (von denen er selbst allerdings der Einzige ist).
  • Der Graf von Arbon (in Personalunion mit dem Hochfürsten, also "Vasall" von sich selber) ist der Patron der arbonischen Barone und der Patron aller mit Rittertitel ausgestatteten arbonischen Edlen.
  • Die Barone sind Vasallen ihrer Grafen (de facto des Hochfürsten) und Patrone aller mit Grundherrenrechten ausgestatteten Ritter und Edelfrauen ihrer Gerichtsbezirke.
  • Alle mit Rittertitel ausgestatteten Edlen sind Vasallen ihres Grafen.

Formen von Vasallen- und Lehensverträgen in Emendons Reich

Dieses etwas umständliche Beziehungsgeflecht wird durch zusätzliche Ämter und "freiwillige" Vasallenbeziehungen theoretisch verkompliziert, praktisch aber vereinfacht. Dazu später mehr. Allein durch die rechtlichen Vorgaben kommt es zwangsläufig dazu, dass viele Vasallen mehr als einen Patron haben. Darin sieht man grundsätzlich kein Problem, obwohl natürlich konkurrierende Verpflichtungen entstehen. Im Konfliktfall kommt es darauf an, welche Prioritäten gesetzt werden. Auch dafür gibt es Gewohnheiten und Normen. Die Abstufung von Verpflichtungen wird dadurch erleichtert, dass nicht alle Vasallenverbindungen den gleichen Vertragsbedingungen folgen. Mit "Rat und Dienst" gegen "Schutz und Hilfe" meint man zwar grundsätzlich die gleichen Dinge. Aber für welche Dauer gilt der Vertrag und welche materiellen Leistungen beinhaltet er?

Vasallenverträge lassen sich grob in vier verschiedene Kategorien einteilen:

  • Das allgemeine Vasallenverhältnis zum Hochfürsten,
  • Dienstritterschaft,
  • Lehensverträge zwischen Grundherr und Verwalter
  • und Lehensverträge zwischen Grundherr und Grundherr.

Beginnen wir mit der weitesten Kategorie: Alle Vasallenverbindungen zum Hochfürsten bzw. Grafen von Arbon verwenden eine einheitliche Eidformel, die starke spirituelle Bindungskraft entfalten soll, aber eher vagen Inhalts ist. Exakte Festlegungen zum Ausmaß der Heerfolge oder zu den materiellen Dimensionen des Schutzversprechens werden vermieden. Das Vasallenverhältnis zum Hochfürsten soll vor allem identitätsstiftend wirken, die siebenfaltige Herrschermoral und die arbonischen Ritterideale zur Geltung bringen.

Der Vertrag wird über den Tod hinaus auch für die Nachkommen beider Seiten geschlossen (was man durchaus ernst meint) und gilt als "unverbrüchlich", also unkündbar. Zwar ist es durchaus möglich, das Vasallenverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen zu lösen. Das bedeutet aber in der Konsequenz, dass beide Seiten danach getrennte Wege gehen. Ehemalige Vasallen des Hochfürsten sind damit zwar nicht rechtsbrüchig, werden aber innerhalb der Reichsgrenzen zu Personae non gratae.

Zu einer über den Tod hinausgehenden Vertragsverpflichtung kommt es sonst nur zwischen edlen Sippenoberhäuptern. Auch die Unkündbarkeit wird zuweilen abgeschwächt. Ein Beispiel dafür ist die "Dienstritterschaft". Jeder Edle mit Ritterwürde kann sich jedem oder jeder Adeligen seiner Wahl verpflichten. Dies geschieht nach dem Vorbild des Vasallenverhältnisses zum Hochfürsten und verwendet ähnliche Riten, doch kann der Vertrag im beiderseitigen Einvernehmen ohne Ehrverlust aufgelöst werden. Die Verpflichtung besteht einzig und allein zwischen Patron und Vasall, ohne dass ihre Familien davon berührt werden. Ein Vasallenverhältnis zum Hochfürsten wird durch Dienstritterschaft nicht erzeugt, doch für Arbonier ist es die Grundvoraussetzung dafür – die Ritterwürde allein erzeugt schon ein Vasallenverhältnis zum Grafen von Arbon und dieser hat auch gewiss die größte Anzahl von Dienstrittern im Reich. Viele Dienstritter sind natürlich auch Vasallen des eigenen Sippenoberhauptes. Das Schutzversprechen des Patrons beläuft sich darauf, den Vasallen zu beherbergen und für seinen Unterhalt aufzukommen, ein Lehensvertrag ist nicht enthalten. Es ist eine attraktive Position für ledige Ritter, die keinen eigenen Haushalt haben.

Schauen wir uns nun an, welche Formen von Lehensverträgen es gibt:

Die gängigste Form des Lehensvertrages ist die Pacht: Jemand bekommt ein bestimmtes Gut oder Recht zur zeitlich befristeten Nutzung und erbringt dafür eine vertraglich festgelegte Gegenleistung. Diese Form des Lehensvertrages kann von jedweder geschäftsfähigen Person abgeschlossen werden, sie ist nicht auf den Stand der Edlen beschränkt. Alles Mögliche kann "Lehen" im Sinne eines Pachtvertrages sein, ohne dass daraus ein Vasallenverhältnis entsteht. Dennoch beinhalten solche Verträge mehr oder weniger intensive soziale Verpflichtungen, die sich an den Gepflogenheiten der regionalistischen Strukturen ausrichten.

Die zweithäufigste Form des Lehensvertrages ist die zwischen Grundherr/in und Verwalter/in. Dieses Verhältnis kann ohne Ehrverlust einvernehmlich aufgelöst werden. Manchmal ist es sogar von vornherein zeitlich oder logisch befristet. "Verwaltung" hat eine weite Spannweite: Von der Verwaltung des kleinen Gutes eines Großgrundbesitzers über mehr oder weniger wichtige Vogtstellen bis hin zu Hofämtern (z. B. Kammerherrin, Seneschall etc.) oder der Statthalterschaft über ganze Provinzen kann alles Mögliche damit gemeint sein. Natürlich ist nicht jede unbedeutende oder nur halbwegs regelmäßig ausgeübte Verwaltertätigkeit direkt ein Vasallenverhältnis. Es entsteht nur dann, wenn der Posten es den Verwaltern ermöglicht, einen standesgemäßen Haushalt zu führen und man von ihnen erwartet, Grundherren- oder vergleichbare Herrschaftsrechte stellvertretend für einen anderen Adeligen auszuüben, der sie "besitzt". In Arbon und Altberg können solche Posten nur mit Edlen besetzt werden, denn das Ausüben von Grundherrschaft durch Freie empfindet man dort als inakzeptabel. Allerding kann man in diesen Positionen durchaus auch edel geborene Geistliche vorfinden. In der Ostprovinz ist es schwieriger, für jeden zu verwaltenden Gutshof edle Verwalter zu finden. Daher greifen Großgrundbesitzer dort auch auf Freie zurück, mit denen soldbasierende Dienstverhältnisse eingegangen werden. Vasallität entsteht dadurch nicht.

Lässt man die Hofämter und Statthalter außer Acht (dazu später mehr), handelt es sich bei den Verwaltungsposten um Stellungen, die keine Vasallenbindung zum Hochfürsten/Grafen von Arbon erzeugen. Die Rechtsbeziehung besteht ausschließlich zwischen Verwalter/in und dem jeweiligen Adeligen, für den etwas verwaltet wird (was natürlich der Hochfürst sein kann).

Für solche Lehensverträge können sehr rudimentäre Eide und Ernennungen ausreichen, die Verpflichtung zu Rat und Dienst bzw. Schutz und Hilfe entsteht, ohne dass man es eigens benennt. Dennoch handelt es sich um eine verbindliche Beziehung zwischen Patron und Vasall, deren Bedingungen zumeist gewohnheitsmäßig bekannt sind, mit zunehmender Komplexität der wirtschaftlichen Verflechtungen aber auch urkundlich festgelegt werden.

Die Praxis der Gutsverwaltung von Großgrundbesitz stellt die kriegerisch-patriarchalen Wurzeln der Vasallität etwas auf den Kopf: Rein funktional geht es bei den Verwaltungsposten um Haushaltsführung, also die matriarchale Sphäre der Gesellschaft. Dafür kommen nur Edelfrauen und edle Geistliche in Frage und auch Letztere sind in dieser Stellung vorwiegend weiblich. Zwar wird von den Gutsverwalterinnen erwartet, dass sie in einer festen Partnerschaft mit einem Mann leben, der ihrem Patron Reiterdienst leistet oder dass sie wenigstens waffenfähige Kinder haben. Doch der Vertrag wird zwischen Patron und Gutsverwalterin geschlossen, ihre Männer gelten deswegen nicht als Vasallen.

Die idealtypische, aber am wenigsten häufige Version von Lehensvertrag ist diejenige, bei der ein Patron einem Vasall Grundherrenrechte verleiht. Das als "Leihe" zu bezeichnen ist allerdings irreführend. Der Lehnsherr übergibt Rechte, die nur formal sein Eigentum sind (und bleiben), aber in den "Besitz" des Vasallen übergehen. Danach hat er nur noch beschränkten Zugriff:

  • seine Gerichtshoheit beschränkt sich auf sparsam einzusetzende Apellation
  • und die konkrete Gestaltung der Heerfolge der Freien unterliegt nun zusätzlich dem Ermessen des Vasallen (auch wenn dieser natürlich Heerfolge leisten und strategische Vorgaben erfüllen muss).
  • Vor allem aber ist dieser Vertrag tatsächlich unkündbar: Ohne den Nachweis von Untreue können weder Vasall noch Patron es auflösen. Das läuft niemals ohne Fehde ab.

Entweder handelt es sich um ein nicht-erbliches Lehen (oft "Ritterlehen" genannt), bei dem der Vertrag erst mit dem Tod des Vasallen wieder erlischt. Oder es handelt sich um ein erbliches Lehen, bei dem der Vasall seine Rechte weiter vererbt, ohne dass das der Zustimmung des Lehnsherrn bedarf. Diese Unterscheidung wirkt auf den ersten Blick etwas künstlich, weil ja auch im Falle des nicht-erblichen Lehens von den Nachfolgern beider Partner erwartet wird, den Vertrag ihrer Vorgänger fortzusetzen. Und auch die Erben erblicher Lehen sind dazu verpflichtet, Vasallen des Lehnsherrn ihrer Vorgänger zu werden.

Dennoch hat das erbliche Lehen deutlich mehr Prestige und die damit verbundenen Titel ("Baron" und "Graf") erheblich größere Macht. So kommt dem Lehnsherrn bei der Vergabe nicht-erblicher Lehen einiger Spielraum in der Nachfolgeregelung zu. So lange die Reichtumsverteilung innerhalb der Sippe seines Vasallen nicht zu sehr durcheinander gebracht wird (es sich also nicht ausgerechnet um die Grundherrenrechte des Sippenoberhauptes handelt), hat der Lehnsherr bei der Neuvergabe des Lehens oft die Wahl zwischen mehreren Angehörigen des verstorbenen Vasallen. Er kann diesen Spielraum nutzen, um Bedingungen stellen, z. B. zum Arrangement einer Heirat, der Verpachtung von Ackerland, zum Wahlverhalten gegebenenfalls vorhandener Verwandtschaft in einem Kloster, etc. pp. Diesen Einfluss gibt es bei erblichen Lehen nicht, jedenfalls nicht dann, wenn dort keine Nachfolgeproblematik auftritt, was durchaus vorkommt dazu aber später mehr. Zugleich sind die mit erblichen Titeln verbundenen Lehen einfach viel, viel größer als die Ritterlehen. Jeder Grundherr hat theoretisch die Möglichkeit, seine Grundherrenrechte in verschiedene Gerichtsbezirke zu parzellieren und diese als Lehen an andere Grundherren zu vergeben, die dadurch seine Vasallen werden. De facto machen aber nur Grundherren mit erblichen Titeln davon Gebrauch. In Arbon erfolgt diese Parzellierung aus pragmatischen Gründen immer so, dass möglichst aller Grundbesitz einer freien Sippe auch zum gleichen Gerichtsbezirk gehört.

Fassen wir also nocheinmal zusammen, welche Formen von Vasallen- und Lehensverträgen es gibt:

  • Pacht: Lehensvertrag auf Basis materieller Gegenleistungen. Daraus entsteht kein Vasallenverhältnis.
  • Vasallenverhältnis zum Hochfürsten: Gilt für alle Grundherren und alle arbonischen Ritter. Bewirkt grundsätzliche Herrschertreue und kollektive Identitätsbildung. Daraus entsteht kein Lehensverhältnis.
  • "Dienstritterschaft": Ein Ritter stellt sich in den Dienst eines Adeligen und bekommt dafür soziale Absicherung. Das ist ein Vasallen-, aber kein Lehensverhältnis.
  • "Verwaltung": Ist ein Lehensvertrag zwischen "Besitzer" von Grundherrenrechten und "Stellvertreter" des Grundherrn, aus dem nur diesen beiden ein Vasallenverhältnis entsteht.
  • Grundherrschaft: Adelige vergeben Grundherrenrechte untereinander als Lehen, woraus ihnen ein Vasallenverhältnis erwächst. Grundherrenrechte erzeugen immer auch ein Vasallenverhältnis zum Hochfürsten. Es gibt zwei Versionen davon: Erbliche Lehen ("Baronie", "Grafschaft") und nicht-erbliche Lehen (oft "Ritterlehen" genannt).

Politische Gruppenbildung aufgrund von Vasallität

Wie werden die Verpflichtungen aus diesen fünf Rechtsbeziehungen im Konfliktfall abgestuft? Darauf gibt es zwar nie eine endgültige Antwort – es kommt immer darauf an, worum es in den jeweiligen Konflikten geht. Aber man nimmt eine Grundregel an: Je mehr Unabhängigkeit eine Position verleiht, desto unwahrscheinlicher ist es, dass den daraus erwachsenden Pflichten Priorität eingeräumt wird, wenn sie mit anderen Pflichten in Konflikt geraten. Dafür haben alle Seiten grundsätzlich Verständnis, so lange die Parteinahme des Vasallen für den einen und gegen den anderen Patron offen angekündigt wurde, sich mit Sitte und Ehre begründen lässt und die Normen der Konfliktführung (z. B. Regeln von Fehde und Rache) nicht verletzt werden.

Sittsam und Ehrenhaft ist natürlich immer die Aussage, dass man schicksalhaft an die eigene Verwandtschaft gebunden ist. Klammert man aber die Sippenzugehörigkeit aus, können die folgenden Abstufungen als sehr wahrscheinlich gelten:

  • Im Stand der Freien wird die soziale Bindung durch Pachtverhältnisse im Zweifel ernster genommen als die Verpflichtung zur Heerfolge.
  • Dienstritter und Gutsverwalterinnen nehmen die aus dieser Stellung entstehenden Vasallenpflichten tendenziell ernster als Grundherren ihre Lehnspflichten.
  • Die dem Grundherrn aus seinem Lehensverhältnis entstehenden Pflichten wiederum gehen den allgemeinen Vasallenpflichten zum Hochfürsten vor.

Diese politische Praxis läuft der gedachten Hierarchie (Staatsoberhaupt an der Spitze von nach unten abgestuften Machtbeziehungen) häufig entgegen. Sie verweist auf die von den regionalistischen Strukturen bestimmte Verteilung von Reichtum, in der lokale Oligarchen im Zentrum der Macht stehen. Es ist der lokale Oligarch, der den meisten Dienstrittern ein Auskommen garantieren kann, auf seinen Ländereien sind die meisten Güter zu verwalten und zumeist ist er es, der Grundherrenrechte als Lehen vergibt.

Bezieht man die Gewohnheit mit ein, wonach sich die Verpflichtungen aus Vasallenverhältnissen zwischen Sippenoberhäuptern implizit auf deren komplette Sippenverbände ausweiten, ergibt sich das Bild eines regionalen "Machtkartells":

  • Ein edles Sippenoberhaupt hat das erbliche Lehen (Baron oder Baronin),
  • andere edle Sippenoberhäupter haben die größten Ritterlehen und sind seine Vasallen,
  • die anderen Edlen gruppieren sich als Gutsverwalterinnen und Dienstritter um das jeweils eigene Sippenoberhaupt,
  • die Angehörigen der Sippenoberhäupter mit Ritterlehen sind aber zum Teil auch Gutsverwalterinnen und Dienstritter des Barons.

Mit diesen Machtkartellen muss das Staatsoberhaupt im politischen Prozess umgehen. So spottet ein altbergisches Sprichwort über die Vergabe von Rechten und Privilegien: "Der arbonische Gaul scheißt immer auf den dicksten Haufen." Gewiss tut er das. Deswegen haben sich Baronien überhaupt erst herausgebildet. Findet also die politische Gruppenbildung anhand der Grenzen der zehn semi-autonomen Verwaltungsbezirke des arbonischen Staates statt? Jain – ganz so einfach ist es nicht.

Tatsächlich ist das oben beschriebene Bild nie idealtypisch vorhanden. Z. B. vergeben Barone die Ritterlehen nicht ausschließlich an die anderen edlen Sippenoberhäupter in ihrer Baronie. Aus ihrer Sicht kann es sinnvoll erscheinen, wenn bei den Sippen ihrer Vasallen neben dem des Sippenoberhauptes noch ein paar zusätzliche Machtzentren existieren. Evtl. müssen auch aus den unterschiedlichsten Gründen bestimmte Angehörige der eigenen Sippe über andere erhoben werden. In beiden Fällen bedienen sich Barone der Möglichkeit, Ritterlehen zu vergeben. Hier kommt auch dem Hochfüsten ein gewisser Handlungspielraum zu, weil er solchen Lehensvergaben zustimmen muss, entsteht dadurch doch auch ein Vasallenverhältnis zu ihm. Seine Zustimmung zu verweigern ist natürlich ein Mittel, das er nur selten einsetzt, doch sorgt die Option allein schon für gewissen politischen Einfluss. Die Gruppenbildung in einer Baronie findet also nicht im luftleeren Raum statt, sondern in Wechselwirkung zu anderen Herrschaftsbereichen.

Der historische Zufall hat ebenfalls immer wieder Gründe geliefert, warum die Verteilung von Macht und Ressourcen nie zum idealtypischen Ergebnis führt. Nicht jeder politische Akteur hat seinen Spielraum immer ideal genutzt, mitunter kam es auch zu folgenschweren Fehlentscheidungen. Die Werte der politischen Kultur haben sich gewandelt, manche politische Bündnisse hatten Zeit sich zu festigen, andere sind relativ neu. Erbfolgekrisen, militärische Erfolge und Niederlagen eröffneten unerwarteten Handlungsspielraum. Daher ist buchstäblich jeder Verwaltungsbezirk sein eigener "Ausnahmefall". Die enormen Auswirkungen, die das auf die politische Gruppenbildung hat, werden an anderer Stelle erläutert.

Nicht-vasallitische soziale Verbindungen zwischen Edlen: Die Sphäre des Haushaltes

Doch schauen wir uns zunächst an, welche sonstigen Formen von Patronage und Bündnisbildung es gibt. Zu erwähnen sind:

  • Ehe, Konkubinat und Adoption,
  • Geiseltausch und sippenübergreifende Vormundschaftsverhältnisse,
  • politische "Freundschafts-"bünde, Fürsprache und Vermittlung,
  • religiöse Orden und vergleichbare spirituelle Schwurverbände.

Alle vier Kategorien verweisen auf die Bedeutung des Haushalts für die politische Gruppenbildung. Während die zuvor beschriebenen Lehensverträge zur Verteilung von Haushalten an Edle verwendet werden, wird es nun verstärkt um ihr Innenleben gehen. Daher ein paar einleitende Worte zum Adelshaushalt.

Als Menschen der realen westlichen Welt des 21. Jahrhunderts sind wir es gewöhnt, dass der Markt uns mit allem Lebensnotwendigen, vielem sehr Angenehmen und diversen überflüssigen Dingen versorgen kann und muss – die einzige stets spürbare Begrenzung ist unser Einkommen. Es lässt sich nicht überbetonen, wie anders die Situation für die Trigardonen ist. Niemand kauft sein täglich Brot. Selbst die "Stadtbewohner" von Nordern und Drachenport sind in ihrer überwiegenden Mehrheit hinter Stadtmauern wohnende Bauern und Hirten. Sicher könnte man dort zur Not auch mit reinem Bargeldvermögen überleben. Es wäre nur in etwa so wirtschaftlich, wie wenn man heute in der realen Welt die eigene Familie zu Restaurantpreisen ernähren wollte. Kaum eine Tagesreise von den großen Handelszentren entfernt ist die eigene Agrarproduktion dann endgültig eine existenzielle Angelegenheit.

In diesen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat der Haushalt eine andere Bedeutung als in der heutigen realen Welt. Die Autorität des wirtschaftlich planenden Haushaltsvorstands, die Pflichten der arbeitsteiligen Hausgemeinschaft und die ehernen Gesetze des Haus- und Gastrechts begreift man als objektiv vorhandene Normen so wie wir in der heutigen realen Welt die Gesetze von Angebot und Nachfrage; sie stehen nur eine halbe Stufe unter den Naturgesetzen.

"Der" Hof (oder "die" Jurte) einer Edlen ist ein Großbetrieb, der mehr als nur das eigene Überleben sichern soll. Überdurchschnittlich großer Eigenbesitz lässt in Kombination mit verschiedenen Produktivitätsvorteilen (z. B. klug eingesetzte Frondienste und Tribute, Schlüsselstellung in regionalen Produktionsketten, privilegierter Marktzugang, etc.) großen Wohlstand entstehen. Der Adelshaushalt ist der Lebensraum und Arbeitsplatz sehr vieler Menschen, in dem die Wirtschaftstätigkeit mit den sozialen Beziehungen direkt zusammenfällt. Rollenverteilung und Rangordnung werden in dieser Lebenswelt permanent durch die Alltagserfahrung verinnerlicht. Die funktionale, unmittelbar erfahrene und symbolische Ebene von Machtbeziehungen überlagert sich, so dass die Autorität von Hausherrin und Hausherr als etwas wahrgenommen wird, das in ihrer Natur liegt. Oder genauer: Wer die funktionale und symbolische Rolle des Haushaltsvorstandes einnimmt und im alltäglichen Leben auch so empfunden wird, ist der Haushaltsvorstand, selbst wenn die Eigentumsverhältnisse etwas anderes verfügen.

Daher müssen Patrone sich regelmäßig in den Haushalten ihrer Vasallen sehen lassen und symbolisch ihren Vorrang demonstrieren. Die Tradition hat eine ganze Reihe allgemein bekannter Gesten und Riten hervorgebracht, um die Beziehungen zwischen Haushaltsvorstand und Patron, Sippenoberhaupt und Sippenmitglied, Hausherr und Gast, etc. anzuzeigen. Man nimmt diese Symbolsprache sehr ernst.

(Mehr dazu hier.)

Alle in diesem Haushalt lebenden Personen vom Ritter bis zum Hörigen begreifen sich über Sippen- und Standesgrenzen hinweg als gemeinsamer sozialer Verband. Konflikte innerhalb der Hausgemeinschaft werden immer, sofern es nur irgendwie möglich ist, intern gelöst. Externe Richter und Schlichter werden nur hinzugezogen, wenn es um außergewöhnliche Fälle (z. B. Mord, Götterlästerung, etc.) geht. Und selbst dann ist das ein Zeichen der Schwäche bzw. mangelnden Glückes des Haushaltsvorstands.

Der Hausgemeinschaft der Edlen kommt Verantwortung und Autorität gegenüber allen wirtschaftlich abhängigen Haushalten (von Pächtern, freien und unfreien Handwerkern, Hirten ohne nennenswerten eigenen Viehbestand, etc.) zu, was eine intensive Kooperation mit deren Sippenoberhäuptern nötig macht. Das ist die Basis der lokalen Vernetzung. "Lokalpolitische" Angelegenheiten (wie geht man mit dem plötzlichen Wintereinbruch, dem neuen Wolfsrudel, dem versiegten Brunnen, etc. um?) werden nicht etwa an einem neutralen Ort verhandelt, sondern zu Gast im Haushalt der Edlen. Hier müssen nicht nur die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Die Herrin muss auch einen "vornehmen" Haushalt und ihr persönliches "Glück" vorzeigen. Die Zurschaustellung des Reichtums der Gastgeberin wird nicht als Ausdruck sozialer Ungerechtigkeit empfunden, sondern wirkt auf die einfache Bevölkerung höchst beruhigend. Er verweist auf die regionale Wirtschaftskraft und impliziert, dass man für Notzeiten gerüstet ist. Kinderlosigkeit, das Fehlen des Reiters an ihrer Seite oder freche Hörige schmälern ihre Autorität, serviert sie schlechtes Essen oder ist ärmlich gekleidet, wird das als Respektlosigkeit empfunden, etc. pp. Die Verhältnisse im Haushalt der Grundherrin werden als Hinweis auf den Zustand der Region gelesen. Funktionale, symbolische und psychologisch-subjektive Beobachtungen vermischen sich bei der Bewertung, ob es "glückreich" (= "gerecht"/"sittsam"/"ehrbar") zugeht.

Ehe, Konkubinat und Adoption

Nach dieser wortreichen Einleitung zur Bedeutung des edlen Haushaltes wollen wir uns den klientelistischen und sonstigen politischen Beziehungen zuwenden, die in dieser Umgebung entstehen.

Zunächst rückt die Rolle von Ehe und Konkubinat in den Vordergrund. Ein "guter" Haushalt muss auch von einem "guten" Paar geführt werden, dessen Verbindung von ihren Sippenoberhäuptern arrangiert oder wenigstens abgesegnet wurde. Relativ starke Rollenbilder von "Mutter" und "Vater" helfen dem Haushaltsvorstand dabei, sich ihr Zusammenleben möglichst konfliktfrei zu gestalten. Damit geht man zwar zunehmend flexibel um (z. B. wundert sich niemand mehr darüber, wenn eine Schildmaid die Vaterrolle und ein Priester die Mutterrolle einnimmt), doch die Rollen müssen klar identifizierbar sein. Schließlich kommt es sonst zu Kompetenzgerangel oder Orientierungslosigkeit, "Neid wird gesäht und Zwietracht geerntet", im Zweifel durch die selbsterfüllende Prophezeiung der öffentlichen Meinung. Weil die "Mutter" den Haushalt führt, ist ihre Sippenzugehörigkeit die wichtigste Frage bei jedem Ehegeschäft. So lassen Großgrundbesitzer ihre Güter nach Möglichkeit von Frauen der eigenen Sippe verwalten. Haben sie nicht genügend heiratsfähige Frauen, werden sie eine Ehe aushandeln, in der eine Frau aus einer anderen Sippe in die eigene einheiratet oder einen Priester aus der eigenen Sippe als Verwalter einsetzen.

Mit der Zeit ist es im Stand der Edlen immer häufiger geworden, sippenübergreifend zu heiraten, sodass an diesen Arrangements oft zwei (manchmal auch mehr) Parteien beteiligt sind. Die Partei, die dem Paar den Haushalt zur Verfügung stellt, hat auch das Anrecht darauf, dass das Paar oder zumindest die Frau im eigenen Sippenverband bleibt bzw. in ihn übergeht.

Eine sippenübergreifende Verlobung kündigt zugleich ein Sippenbündnis an, das mit dem Eheschluss besiegelt wird. Dabei hat eine Seite zuweilen die "besseren" Ahnen oder die größere Macht. Von der "geringeren" Sippe wird zwar erwartet, sich von der "edleren" geehrt zu fühlen, wenn sie von ihnen ein Mitglied (und dessen Ahnenglück) dazubekommt, was sich auch im Brautpreis niederschlagen kann. Aber für die Beziehung zwischen beiden Sippenverbänden spielt das danach keine Rolle mehr, ihnen entstehen mehr oder weniger symmetrische Verpflichtungen. Diese Verpflichtungen werden zunehmend urkundlich festgehalten, stets enthalten war schon immer das lose Versprechen der beiden Sippenoberhäupter, sich künftig miteinander zu beraten, Konflikte auf dem Schlichtungsweg beizulegen und sich gegenseitig nach Möglichkeit zu unterstützen.

Das Problem an diesen Bündnissen ist aber, dass das "Geschäft" zwischen den Sippen eigentlich auch schon abgeschlossen ist, sobald das Paar die Geschäfte in ihrem neuen Haushalt aufnimmt. Danach ist dem Gedanken nach zwar ein Bündnis von zwei Sippen entstanden, doch unter Umständen ist nur eine Sippe unmittelbar damit konfrontiert (nämlich die, die ein neues Mitglied hat). Die andere Seite hat schlicht ein Mitglied weniger und den Brautpreis unter Umständen bald vergessen. Eine einzelne Heirat von Personen am Rande ihres jeweiligen Stammbaums bedeutet für ihre beiden Sippenverbände noch nicht allzu viel. Sippenoberhäupter fanden immer wieder Gründe, das gegenseitige Versprechen zu ignorieren oder der anderen Seite Wortbruch vorzuwerfen. Die Edlen, die durch die Ehe die Sippe gewechselt haben, sind im Fall des Konflikts mit ihrer alten Sippe erfolgreiche Schlichter oder Stoff für Tragödien, beides ist gleich wahrscheinlich. Daher sieht man es inzwischen gern, wenn neutrale Heiratsvermittler als Garanten des Vertrags am Ehegeschäft beteiligt werden. Eine einzelne sippenübergreifende Hochzeit allein ist also nicht unbedingt besonders wirkungsvoll. Erst, wenn zwei Sippen mehrfach Ehepartner in beide Richtungen ausgetauscht haben, im Idealfall über mehrere Generationen hinweg, geht man von einem wirklich stabilen Bund aus.

Davon Ausgenommen ist natürlich die seltene Vereinbarung, zwei Edle unter Beibehaltung ihrer jeweiligen Sippenzugehörigkeit zu verheiraten. Das geschieht nur, wenn zwei Sippenoberhäupter sich selbst oder potentielle Erben verheiraten. Dieses Ehebündnis ist der wohl stärkste aller politischen Verträge, bedeutet er doch, dass man künftig als eine einzige Sippe zu handeln gedenkt. Es ist aber auch die Eheform, bei der es öfter als jemals sonst im Nachhinein zu Scheidung und Fehde kam. Ansonsten ist eine Hochzeit natürlich ein gern gewählter Weg, um einen anderen Vertrag zu bekräftigen, insbesondere ein Vasallenverhältnis zwischen Sippenoberhäuptern.

Warum zieht man manchmal das Konkubinat der Ehe vor? Nicht nur in der Unterschicht hat das materielle Ursachen. Schließlich reicht für Edle ein "normaler" Haushalt nicht aus. Er muss wenigstens den Unterhalt eines Panzerreiters garantieren und in seinen repräsentativen Eigenschaften die Haushalte benachbarter Sippenoberhäupter übertreffen. Steht kein solch "vornehmer" Haushalt zur Verfügung, heiratet der oder die Edle eben nicht und lebt weiter im Haushalt von Verwandten oder sonstigen Gönnern. Andere Gründe für Konkubinate zwischen Edlen liegen in der größeren Flexibilität, mit der solche Verbindungen gehandhabt werden können. Beide Rollen des Haushaltsvorstands können rasch besetzt werden, ohne dass man erst einen komplizierten Ehevertrag schließen muss, denn die Verbindung von Gefährte und Gefährtin gilt als stabil und sittsam (sofern der Lebensstil der Beiden keinen Anlass zum Zweifeln gibt). Dennoch kann sie notfalls aufgelöst oder durch eine Hochzeit ersetzt werden. Bei Ehepaaren sehr ungleichen Alters kann das zusätzliche Konkubinat des jüngeren Partners oder der jüngeren Partnerin den Übergang des Haushaltes in die nächste Generation begleiten. All diese Optionen sind aber nur dann ohne Weiteres möglich, wenn die Partner der gleichen Sippe angehören. Ansonsten kann die heikle Frage entstehen, um wessen Haushalt es sich eigentlich handelt.

Edle Sippenoberhäupter bzw. ihre Erben können durch das ehelose Zusammenleben mit einem anderen Sippenoberhaupt politische Aussage machen. Ein prominentes Beispiel dafür sind die Konkubinate des Heiligen Karoman mit den Erbinnen zweier mächtiger Sippenoberhäupter aus dem Tejadun. Beide lösten ihre Verbindung schließlich zugunsten einer Ehe innerhalb der eigenen Sippe auf, als sie ihr Erbe antraten. Doch sie brachten Kinder mit in die Ehe, deren Vater Karoman war und die sie erbrechtlich ihren späteren ehelichen Kindern vorzogen. Auf diese Weise hatten drei Sippen Verwandschaft auf der Ebene der Sippenoberhäupter hergestellt, ohne die jeweilige Autonomie des Sippenverbandes aufgeben zu müssen. In der nächsten Generation erklärten alle drei Sippen, dass sie füreinander Rachepflichten ausüben würden. Ob sich dieses politische Manöver innerhalb der heute gültigen Normen wiederholen lassen würde, ist nicht ganz klar. Polygame Lebensformen werden nur noch in Ausnahmefällen toleriert. Doch die oberste politische Ebene ist per Definition ein Ausnahmefall und auch der heutige Hochfürst hat mehrere offizielle Konkubinen, die einige seiner Haushalte verwalten. Bei ihnen handelt es sich jedoch durchweg um Priesterinnen aus der eigenen Sippe, deren Kinder eher nicht als potentielle Thronerben gehandelt werden. Aber bezüglich der Nachfolgefrage des Hochfürsten sind ohnehin schon vielen Beratern des Staatsoberhauptes graue Haare gewachsen.

Eine in Flutland politisch sehr wichtige Methode der Herstellung von Verwandtschaft ist auch die Adoption, die natürlich nur der Ystjarson möglich ist. Dem steht man in Arbon ablehnend gegenüber, weil es sich mit der gängigen Erbrechtspraxis nicht verträgt. Dennoch liegt die Adoption von nicht-Blutsverwandten durch das Sippenoberhaupt innerhalb des Rahmes siebenfaltiger Sitten und ist demnach legal. Daher akzeptiert man sie in Emendons Reich für nicht-Arbonier, sofern sie von guten Omen begleitet und durch Ehe abgesichert wird. Einige Funktionen, die die Adoption in Flutland hat, werden in Arbon von anderen Rechtsformen eingenommen, vor allem von Vasallenverhältnissen und von sippenübergeifenden Vormundschaftsverhältnissen.

Sippenübergreifende Vormundschaftsverhältnisse: Geiseln, Pagen, etc.

Wie kam man auf die Idee, die eigenen Kinder in die Vormundschaft zu Angehörigen anderer Sippen zu geben? Ursprünglich geschah das nicht freiwillg. Schon in längst vergessenen Tagen war es üblich, dass die wichtigsten Sippenoberhäupter der Arbonier dem Stammesoberhaupt ihre Kinder als Geiseln stellen mussten, um ihre Loyalität zu beweisen. Diese Geiseln wurden gemeinsam mit seinen Kindern erzogen und daran gewöhnt, sich als quasi-familiärer Verband des Heerführers zu sehen.

Das Wort "Geisel" löst im modernen Denken Assoziationen aus, die es in Trigardon zwar auch gibt, in diesem Kontext aber fehl am Platz sind. Denn es handelt sich nicht um Geiseln im Sinne von Kriegsgefangenen, sondern um die rituelle Besiegelung eines Vertrags zwischen Verbündeten. Es ist völlig klar, dass das Töten der Geiseln bei Vertragsbruch keine Option ist. Das liegt nicht mal daran, dass dadurch so nachhaltige Rachepflichten entstehen würden, dass ein späterer Friedensschluss aussichtslos wäre – diese Konsequenz könnte ja in Zeiten, als die Normen noch schwächer als heute waren, durchaus bezweckt worden sein. Manche Erzählungen behaupten, dass in früheren finsteren Tagen zuweilen durchaus bis zur völligen Vernichtung des Feindes gekämpft wurde. Die Sicht der Verlierer ist aus naheliegenden Gründen nicht überliefert, "Eisen verschloss ihre Lippen" sagt ein Sprichwort...

Es gibt einen anderen Grund, warum es auch schon während des letzten großen Stammeskrieges unmöglich war, edle Geiseln zu töten. Sie werden in den eigenen Haushalt integriert und unterliegen damit dem unmittelbaren und sakralen Schutz des Haushaltsvorstandes (sowie deren Ahnen). Sie zu töten ist schlimmer als der Mord an einem Gast. Was macht die Geiseln also zu Geiseln, wenn man sie im Falle des Vertragsbruches nicht töten kann? Hier gilt mal wieder: Die theoretische Möglichkeit allein hat politische Konsequenzen. Der Vertragsbrecher macht sich des mangelnden Familiensinns schuldig, wenn er die potentielle Gefahr für die Geiseln, die er gestellt hat, ignoriert. Sein Gegner wird mit diesem Makel aktive Symbolpolitik betreiben, z. B. die Geiseln demonstrativ und unter den Abschiedstränen seines ganzen Haushaltes zurück zu ihrer Sippe schicken, während er sich selbst als gnadenvoll und ehrenhaft in Szene setzt. Die von nun an rhetorisch induzierte Niedertracht des Gegners, der offenbar seine Sippe weder schützen kann noch will, wird seiner Sache mehr Schaden zufügen, als es das Töten der Geiseln jemals könnte.

Was macht man also, wenn man den Konflikt mit einem einstigen Verbündeten für unvermeidlich hält, man ihm aber Sippenangehörige als Geiseln gestellt hat? Man erbittet deren Herausgabe aus fadenscheinigen Gründen. Diese "Lüge" soll und darf nicht überzeugend sein, denn sie dient dazu, den einstigen Verbündeten vorzuwarnen. Wenn dieser nun die Herausgabe verweigert, kann man seinen Gründen für die Eröffnung des Konflikts einen weiteren hinzufügen: Man kämpft jetzt auch für die "Freilassung" seiner Angehörigen. Der Gegner darf ihnen noch immer keinen Schaden zufügen, doch man selbst hat sich demonstrativ um ihr Wohlergehen gesorgt und das Mögliche getan. Das gleiche Ritual ist auch im umgekehrten Fall anzuwenden: Wenn man Geiseln von einer einst verbündeten Sippe hat, mit der ein Konflikt eröffnet werden soll, werden diese zuvor unter fadenscheinigen Gründen zurückgeschickt. Der institutionalisierte Geiseltausch zwingt die Vertragspartner also dazu, sich beim Bündnisbruch gegenseitig vorzuwarnen.

Damit handelt es sich um einen Vertrag mit symmetrischen Bedingungen, egal welche Seite der anderen die Geiseln stellt. Die Hierarchie zwischen "Geiselgeber" und "Geiselnehmer" bestand immer nur symbolisch und selbst das ist heute kaum noch von Bedeutung. Denn was als erzwungene Disziplinierung begann, wurde bald zu einer allgemeinen Geste der Vertrauensbildung im Stamm der Arbonier. Heute ist sie vorwiegend in Formen von Pagen-, Knappen- oder Zofendienst übergegangen. Inzwischen gilt es als besonders vornehm, wenn Kinder nicht von ihren Eltern, sondern in befreundeten Haushalten erzogen werden. Die öffentliche Meinung ist nunmal stets in großer Sorge um die Disziplin der Jugend, die ja bekanntlich mit jeder Generation nachlässt. Edle Eltern werden per se verdächtigt, die eigenen Kinder zu verhätscheln.

Tatsächlich sind Knappschaft, Pagen- und Zofendienst sowie eine Reihe damit vergleichbarer Vormundschaftsverhältnisse ein unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Vernetzung geworden. Die Vermutung liegt nahe, dass die jungen Edlen so gut in die Hausgemeinschaft des neuen Vormunds integriert werden, dass sie sich als Familienangehörige fühlen, was meistens auch zutrifft. Diese pseudo-Verwandtschaften führen dazu, dass zwischen Vormund und Sprössling ein informelles Patronageverhältnis entsteht, das in der Regel auch nach dem Ende des eigentlichen Vormundschaftsverhältnisses fortbesteht.

Wo findet man aber die Ritter und Edelfrauen, die die eigenen Kinder erziehen sollen? Wie immer hat das Sippenoberhaupt dabei ein Mitspracherecht. Wenn es das Kind aus persönlichen oder politischen Gründen zu bestimmten Vormunden geben will, können sich die Eltern diesem Wunsch nicht entziehen. Daneben kommt hier mal wieder den größten Höfen der lokalen Oligarchen eine wichtige Funktion zu: Hier trifft man stets viele Edle an einem Ort. Zugleich ist der lokale Oligarch im Zuge seiner Patronage dazu verpflichtet, seinen Vasallen bei der Suche zu helfen. Aber niemand hindert Eltern und Sippenoberhäupter daran, sich auch am Hof eines anderen lokalen Oligarchen oder sonstigen Edlen umzusehen. Man geht überhaupt sehr flexibel mit sippenübergreifenden Vormundschaftsverhältnissen um. Es ist üblich, die eigenen Kinder an vielen verschiedenen Höfen unterschiedlicher Sippen unter zu bringen.

Die Situation ist unübersichtlich geworden, sodass man sich bei jeder Fehde erneut informiert, ob nicht vielleicht doch ein Kind eines eigenen Verwandten oder Vasallen oder Verwandten des Vasallen im Haushalt eines Verwandten oder Vasallen oder Verwandten des Vasallen des Gegners Page ist. Das ist gewollt, denn es sichert die Normen der Konfliktführung ab.

Religiöse Orden und sonstige spirituelle Verbünde

Das Prinzip sippenübergreifender Vormundschaft unter dem Schutz der von magischen Vorstellungen überhöhten Hausgemeinschaft wurde in den spirituellen Organisationsformen auf die Spitze getrieben. Hier sind es kaum noch oder überhaupt nicht mehr die Ahnen von Haushaltsvorstand oder Lehrer, die das Glück des Haushaltes gewährleisten. Stattdessen fällt diese Aufgabe den Göttern selbst oder bestimmten zusätzlichen Schicksalsmächten zu. Nicht der Haushaltsvorstand empfängt dieses Glück, um es für den Haushalt einzusetzen. Das "Haus" (Tempel, Kloster, Orden, Lehrzirkel) selbst empfängt den göttlichen Schutz unmittelbar. Deshalb geht es in diesen Gemeinschaften nicht weniger autoritär zu als überall sonst im Land – strenge Verhaltensregeln und eine Kultur des Zusammenlebens, in der jedes Mitglied der Gemeinschaft dazu ermuntert wird, soziale Kontrolle über alle Anderen auszuüben, sorgen für die sprichwörtliche "klösterliche Disziplin". Dennoch existieren bestimmte egalitäre Grundprinzipien, die spirituellen Gemeinschaften flexible Entscheidungen bei der Aufnahme neuer Mitglieder ermöglichen.

Das ist nicht nur auf die relativ neuen religiösen Großverbände beschränkt, sondern gilt auch für die älteren Meister-Schüler-Beziehungen der Schamanen, Kundigen und nicht-klösterlich lebenden Priester: Nicht eine durch Abstammung, Tradition und Sippenoberhaupt bestimmte interne Hierarchie ist das entscheidende Kriterium eines Meisters bei der Wahl seines Schülers, sondern Omen und Eignung. Hier wirkt also ein gewisser Zufallsfaktor auflockernd auf die sonst eher starren Verhältnisse mit ihren durch Geburt vorgegebenen Aufstiegschancen.

Dieses Vorgehen war den Sippenoberhäuptern zwar immer etwas suspekt, nur konnten sie den wachsenden Einfluss von Priestern, Schamanen und Hexen auf das öffentliche Leben nicht ignorieren. Ihre Strategie im Umgang mit diesen Rivalen um die spirituelle Deutungshoheit bestand nur selten in Ausgrenzung, öfter in Umarmung und Eindämmung.

So haben bestimmte spirituelle Lehr- und Lebensverhältnisse durchaus einen gewissen Außenseitercharakter. Auf bestimmte Aufgaben spezialisierte Wanderpriester (z. B. für das Austreiben böser Geister verantwortliche Riadugorapriester) gelten als respektable Personen, die zwar überall Gastrecht bekommen, die aber niemand länger als nötig im Haus haben will.

Die ältesten Kundigentraditionen dagegen sind enger Bestandteil der Ahnenkulte edler Sippen.

Hier und da haben Adelige auch "ihre" Hausklöster oder Hausorden gegründet. Diese gelten zwar als öffentliche Einrichtungen (wie alle Götterhäuser im arbonischen Staat), in ihnen werden aber sowohl die Kulte von einer oder mehreren Haupt- oder Nebengottheiten, als auch die Ahnenkulte der Stifter gepflegt. Beispiele dafür sind die Hüterinnen der Heiligen Grabflamme oder das Kloster von Jardo und Evörr.

Die größten geistlichen Zentren sind schließlich einen Schritt weiter gegangen und haben sich von den Ahnenkulten einzelner Sippen vollständig gelöst. Sie schulden nur noch einer abstrakten Person Loyalität, nämlich dem Staatsoberhaupt – unabhängig davon, wer das gerade ist. Die Frömmigkeit des Herrschers und (mehr noch) die Legalität seiner Herrschaft sind die Voraussetzungen dafür, seine Ahnen spielen hier eine untergeordnete Rolle. Dies unterstützt den Ruf der Neutralität, der die großen Klöster und Tempel zu moralischen Instanzen macht. Sie erscheinen also als ein rechtlich-soziales Umfeld, in dem die üblichen Konventionen der politischen Gruppenbildung außer Kraft gesetzt sind:

  • Von allen Geistlichen wird erwartet, ihre religiösen Pflichten über Alles zu stellen und ihrer spirituellen Gemeinschaft Priorität über Sippenzugehörigkeit und sonstige Verpflichtungen einzuräumen.
  • Die Leitungspositionen dieser Gemeinschaften (Abt, Tempelvorsteher, Ordensmeister, etc.) werden in der Regel auf Lebenszeit gewählt; und da man diese Posten eher nicht mit jungen Leuten besetzt, kommt es hier regelmäßig zum Führungswechsel.
  • Frei geborene Priester und Priesterinnen können verantwortungsvolle Positionen einnehmen, die man ihnen jenseits des spirituellen Verbandes aufgrund ihres Geburtsstandes nicht überlassen würde.

Die Ausnahme von dieser Ausnahme ist die Bruderschaft des Heiligen Danason, die als kriegerischer Orden stets relativ junge Meister hatte (der Hochfürst wird im Jahr 42 n. K. Vierzig Jahre alt) und Freie nur Ausnahmsweise in ihre Reihen aufnimmt. Dennoch wird man auch hier im täglichen Umgang keinen Unterschied zwischen frei und edel geborenen Ordensangehörigen wahrnehmen, wenn man nicht genau weiß, wen man vor sich hat (man erkennt das natürlich am vollen Namen und kann mutmaßen, dass männliche Cirkater, die nicht zugleich auch Ritter sind, wahrscheinlich auch keine Edlen sind).

Trotz der egalitären Umgangsformen, die alle zu "Bruder" und "Schwester" machen, legt man großen Wert auf durch Weihegrad, Ordensregeln und Seniorität verfügte interne Hierarchien. Auch entstammen die Geistlichen selbstverständlich der gleichen elitären Gesellschaft wie alle Anderen. In dieser Gesellschaft bringt edle Abstammung immer Vorteile (und wenn es nur das größere Selbstbewusstsein ist). Die Masse der einfachen Brüder, Schwestern, Mönche, Nonnen etc. befindet sich im Vormundschaftsverhältnis zum Oberhaupt der Gemeinschaft, ist also rechtlich gesehen unfrei. Die überwiegende Mehrheit von ihnen ist frei geboren, während Geistliche mit relevantem Weihegrad (Priester, Priesterinnen, Cirkater und Ordensritter sowie die dazu auszubildenden Akoluthen und Erben) mehrheitlich Edle sind.

Natürlich wählen nur diese Geistlichen den Abt oder sonstige Führungsposten, die unfreien Mönche, Nonnen und Novizen haben dabei keine Stimme. Solche Wahlen sind keine Gewissensentscheidungen nach demokratischen Prinzipien: Zumeist gibt es ohnehin nur einen einzigen zur Wahl stehenden Kandidaten, was als Zeichen der Harmonie in wohl geordneten Verhältnissen gilt. Sollte sich aber aus irgendwelchen Gründen eine Wahl mit mehreren Kandidaten nicht vermeiden lassen, folgen viele der wahlberechtigten Geistlichen den Wahlempfehlungen ihrer Sippen. In solchen Situationen kommt es dann durchaus auch zu kaum verholenem Stimmenkauf durch externe Spender.

Für die edlen Sippen ist es inzwischen eine respektable (und sehr komfortable) Option, Angehörige mit schlechten Heiratschancen, junge Männer, die für das Kriegshandwerk ungeeignet erscheinen, Erwachsene, die unter dem Verdacht der Unfruchtbarkeit stehen oder junge Leute, die schlicht nicht mit standesgemäßem Haushalt ausgestattet werden können, ins Kloster zu schicken. Seit Neuestem lässt man auch des Verrats beschuldigten Edlen die Möglichkeit, dem Waffenhandwerk abzuschwören und einem Orden als unfreie Mönche und Nonnen beizutreten, wo sie dann ein Leben unter strikter Beobachtung führen. Dies erscheint klüger, als ihre Fälle bis zum bitteren Ende zu verhandeln: So kann man sie politisch vernichten, ihr Leben aber verschonen und damit ihren Verwandten und Verbündeten die Überlegung ersparen, ob ihnen vielleicht Rachepflichten gegen den zuständigen Richter oder den Herrscher entstehen. Früher gab es nur die Selbsttötung der Beschuldigten als ehrenwerten Ausweg aus solchen unangenehmen Situationen.

Jede edle Sippe achtet darauf, in wenigstens einer der großen spirituellen Gemeinschaften Einfluss durch eigene Angehörige zu haben. Das lohnt sich allein deshalb, weil man dadurch wichtige Informationen (verharmlosend "Klosterklatsch" genannt) schnell und aus erster Hand erfährt. Das Kloster der Riaranjoscha ist dafür natürlich unbeliebt, da es mitten in Flutland liegt und von flutländischen Netzwerken dominiert wird. Um als Edler dorthin geschickt zu werden, müssen schon wirklich starke Omen einen solchen Schritt verfügt haben. Der Orden der Riasinaten dagegen erschien bis in die ersten Jahre der Kanzlerherrschaft durchaus als eine lohnende geistliche Gemeinschaft für in Geisterdingen begabten Nachwuchs, verlor seine Attraktivität aber rasch, als sich die dortigen Lehren immer mehr als abweichlerisch, sittenverachtend und schließlich sogar mit blasphemischen Inhalten durchsetzt entpuppte.

In den Augen der Traditionalisten haben seine Skandale dem Ansehen des gesamten Klosterwesens genauso geschadet, wie der Ehre der Kundigen. Die moralische Autorität der drei großen arbonischen Klöster konnte das jedoch nicht mehr schmälern – immerhin positionierten sie sich relativ früh (für Manche aber noch zu spät) und relativ eindeutig (für Manche aber nicht eindeutig genug) gegen die riasinatische Lehre.

In den spirituellen Verbänden gilt die informelle Patronage, die auch zwischen Rittern und ehemaligen Knappen oder Edelfrauen und ehemaligen Zofen besteht, als eigentliches Kriterium für die Zuordnung zu einem politischen Netzwerk. Geistliche und Kundige achten hier die Sippenzugehörigkeit oft weniger, als die "künstlichen" Beziehungen aus Meister-Schüler-Verhältnissen. Mitunter lassen sich in den traditionsreicheren Verbänden schon gewisse Pseudo-Genealogien von Meistern und Schülern und Schülern der Schüler verfolgen.

So bezeichnete sich der letzte Hohepriester Riasons, Adrian, als "Wastans Schüler", während der heutige Abt des Klosters des Riason, Cumar, sich "Adrians Schüler" nennt, was ihn in brüderliche Nähe zum Heiligen Denubis rückt, der übrigens ebenfalls Wastans Schüler gewesen ist. Es interessiert kaum, dass man Wastans Sippe nicht kennt, Denubis kein Edler war, Adrian ein anh Garesch (in regelmäßiger politischer Opposition zu seinem Sippenoberhaupt) gewesen ist und Cumar zu einer der beiden verbliebenen einflussreichen Sippen der anh Rhack gehört.

Das prominenteste Beispiel für die durch informelle Patronage geschaffene pseudo-Verwandtschaft im Klerus ist aber sicherlich der heutige Hochfürst, der als spiritueller Nachfolger des letzten Hochmeisters der Danason-Brüder (Ardor II.) als Schlichter zwischen dessen zerstrittenen potentiellen Erben angerufen wurde und schließlich selbst als dessen weltlicher Nachfolger (als Graf von Arbon) akzeptiert wurde.

"Freundschafts-"bünde, Vermittlung und Fürsprache

Widmen wir uns also der Bedeutung von informeller Patronage für die politische Gruppenbildung. Sie begegnet bei Meister-Schüler-Verhältnissen, bei der Beziehung zwischen Rittern und ehemaligen Knappen, Edelfrauen und ehemaligen Zofen. Sie begegnet uns auch bei der Aufgabe "neutraler" Heiratsvermittler, die als Schutzgarant eines Ehepaares zusätzlich zu dessen Sippenoberhäuptern (und im Notfall auch gegen deren Interessen) auftreten. Sie begegnet uns auch in vielen weiteren Formen, kann sämtliche anderen Verträge und Beziehungen, von denen bislang die Rede war, begleiten, in seltenen Fällen sogar ersetzen und wird sowohl auf Beziehungen zwischen Individuen (Meister und Schüler), als auch auf Beziehungen zwischen Gruppen (Sippe des Grundherrn und freie Sippen des Gerichtsbezirks) angewendet, manchen Gruppen liefert dieses Patronageverhältnis sogar den Grund ihrer Existenz (Baron von Garesch und Garesch-Reiterei).

Obwohl diese Verhältnisse hier unter dem Oberbegriff der informellen Patronage zusammengefasst werden, würde man es IT nicht so nennen. Stattdessen kommt ein Sammelsurium von Bezeichnungen zum Einsatz, die auf die Begriffsfelder von Familie, Vasallität, Freundschaft und Kameradschaftlichkeit verweisen. Man spricht vom "Rittervater" (der mit seinem Knappen nicht blutsverwandt ist), dem seinen Lehnsuntertanen zu "Schutz und Treue" verpflichteten Grundherrn (der mit ihnen noch nie irgendwelche Eide ausgetauscht hat), dem "lieben Patron" der Reiter (die keinesfalls Vasallenstatus haben). "Informell" werden diese Verhältnisse hier genannt, weil sie nicht oder nur indirekt rechtlich verregelt wurden. Das macht sie aber weder unverbindlich, noch heimlich. Denn das Verletzen der aus diesen Verhältnissen entstehenden Verpflichtungen wirkt mindestens rufschädigend und kann in manchen Fällen sogar zum Fehdegrund werden. Man sieht in der Regel nicht nur keinen Sinn darin, seine "informellen" Patronageverhältnisse vor der Öffentlichkeit zu verheimlichen. Meist würde Heimlichkeit das Verhältnis selbst ad Absurdum führen, denn eine Verbindung gilt erstmal nur dann als stark und nützlich, wenn man sie offen zeigt.

Gewiss gibt es auch viele verdeckte Absprachen, heimliche Bündnisse und Spionage zwischen Mächtigen und weniger Mächtigen in Emendons Reich und darüber hinaus. Das hat aber mit politischer Gruppenbildung nur periphär zu tun. In den Rahmenbedingungen des arbonischen Staates gilt: Netzwerke können entweder geheim oder einflussreich sein, nicht beides gleichzeitig. Das Herstellen von Öffentlichkeit ist nämlich für sich genommen schon ein entscheidender politischer Akt, durch den der öffentlich vermittelte Sachverhalt überhaupt erst seine Bedeutung erhält. Ein "Freundschaftsbund" zwischen Adeligen ist wertlos, wenn nur diese beiden wissen, dass es ihn gibt. Dagegen ist die demonstrativ gezeigte Zuneigung zwischen ihnen bei einem Fest oder sonstigem öffentlichen Anlass ein politisches Statement. Es gibt sogar Fälle der Konfliktbeilegung, in denen Edle sich gegenseitig öffentliche Eide schwören, sich stets "als Freund" zu begegnen und diese Eide mitunter sogar durch Fluchandrohung absichern.

Solche Situationen mögen genau abgesprochene Ergebnisse intensiver Verhandlungen sein. Das ist aber nicht nötig, um ein informelles Patronageverhältnis anzuzeigen. Genauso wie der Umstand, dass stets Derjenige als Haushaltsvorstand gilt, der sich wie der Haushaltsvorstand verhält, gilt auch Derjenige als "Freund", der sich wie ein Gönner verhält. Es können natürlich sehr peinliche Situationen entstehen, wenn sich ein vermeintlicher Freund durch unabgesprochene Vorteilsgewährung aufdrängt. Hier gilt es als durchaus akzeptabel, den unerwünschten Gönner durch offene Ablehnung zu brüskieren. Denn sonst könnte schnell auch daraus das klientelistische Verhältnis erwachsen, das alle nennenswerten politischen Verbindungen gemeinsam haben: Die Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung, Förderung und Absicherung, die als "Treue" zum moralischen Verhaltenskodex gehört.

Politische Freundschaften werden mitunter sogar urkundlich festgehalten: Wenn Herrscher oder gräfliche Richter ein bestimmtes Recht verleihen, werden eventuelle "Lobbyisten" des Urkundenempfängers als Fürsprecher mit aufgelistet, was der Urkunde nicht mehr Rechtswirksamkeit, aber dem Sachverhalt mehr politisches Gewicht verleiht. Man braucht natürlich keine Urkunden dafür. Durch jede nennenswerte Fürsprache, Vermittlung oder Schlichtung übernehmen die Vermittler Mitverantwortung für das Geschäft der eigentlichen Vertragsparteien und verpflichten sich so beiden Seiten. Diese Mitverantwortung verleiht Autorität. Keine Partei wählt einfach irgendwen als Vermittler, egal wie einvernehmlich ihr Geschäft auch immer sein mag. Es kommen stets nur Personen mit sehr gutem Ruf dafür in Frage und die Einschätzung des Rufs einer Person ist nie ganz unabhängig davon, als wie mächtig oder einflussreich man sie einschätzt.

Besonders deutlich wird das in der Praxis der Verhandlungsführung durch Gesandte. Ein Herold mag einen sehr guten Ruf genießen, hat aber in der Regel kein nennenswertes Verhandlungsmandat. Wichtige Verträge oder gar die entscheidenden Kompromisse, die zur Beilegung einer Fehde oder eines Aufstandes beitragen, werden nicht von Herolden ausgehandelt, sondern wenigstens von Personen mit Vasallenstatus. Nur dadurch wird ausreichende Verbindlichkeit hergestellt. Denn kein politischer Führer kann einfach die Bedingungen für nichtig erklären, die der eigene Gesandte für ihn ausgehandelt hat, ohne den Gesandten gegen sich aufzubringen. Das Verhandlungsergebnis, das ein Baron für den Hochfürsten ausgehandelt hat ist verbindlicher als die Bedingungen, für die nur ein landloser Ritter bürgt. Deshalb wurden manche Unterhändler auch schon mit dem Verweis auf ihren zu niedrigen Rang wieder nach Hause geschickt.

Die Tätigkeiten von Fürsprechern, Schlichtern, Vermittlern, Freunden oder Gönnern sind die häufigsten und sichtbarsten Aktionen des politischen Geschäfts. Sie bereiten Ehen, Vasallenverhältnisse und sippenübergreifende Vormundschaftsverhältnisse vor. Im Zuge dieser Tätigkeiten gewinnen sie Einfluss auf die öffentliche Meinung und Zugang zu unterschiedlichen Netzwerken. Obwohl sie keinesfalls unabhängig von ihrer jeweiligen eigenen Sippen- und Haushaltszugehörigkeit agieren und den üblichen Vasallenpflichten sowie der damit verbundenen Gruppenbildung unterliegen, wirken sie sich auflockernd auf das politische Gefüge aus.

Machtzentren des arbonischen Staates

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der arbonische Staat schon längst kein Gebilde aus starren Blöcken mehr ist (und es wahrscheinlich nie war). Das Bild von festen, durch Heerfolgeverpflichtungen zu Stämmen verklammerten Sippenverbänden weicht bei näherer Betrachtung einem komplexen Beziehungsgeflecht der Oberschicht. Seine Verdichtung und Intensivierung bestimmt seit mindestens vierzig Jahren das politische Geschehen. Im Großen und Ganzen wollen alle politischen Akteuren es auch so. Denn mit Hilfe der vielen engen sozialen Beziehungen lassen sich Konflikte vermeiden oder wenigstens schnell beilegen.

Die Intensität der sozialen Vernetzung nimmt nach Osten hin ab: In den nur von Arboniern bewohnten Regionen ist es öfter zu Ehebündnissen, bewährten Vasallenverhältnissen und sonstigen erprobten Verbindungen gekommen. In den Regionen, in denen die Montrowen und das Kleine Volk gemeinsam mit Arboniern leben, geschah dies langsamer. Diese beiden ethnischen Minderheiten bekamen erst in einem zweiten, die Bergischen erst in einem dritten Schritt Zugang zu den arbonischen Netzwerken. Die Ostprovinz kann dank einer nennenswerten Menge arbonischer Siedler zwar auf erprobte Verbindungen zu den arbonischen Kernregionen zurückgreifen, hat aber aufgrund ihrer geografischen Isolation Schwierigkeiten bei der Intensivierung der Kontakte. Dennoch ist das Beziehungsgeflecht zwischen den Familien und Individuen der Elite im gesamten arbonischen Staat so eng geknüpft, dass Konflikte zwischen regionalen und ethnischen Gruppen zwar nicht aus Sprache und Denken, aber aus der politischen Realität verschwunden sind.

Welche Schwerpunkte hat das politische Beziehungsgeflecht des arbonischen Staates dann? Und lässt sich die Oberschicht anhand solcher Schwerpunkte in verschiedene Fraktionen einteilen? Das ist teilweise möglich. Es war bereits die Rede davon, dass die drei größten Glaubenszentren (Kloster des Riason, Kloster des Heiligen Danason und Hochtempel des Riamodan) sehr wahrscheinlich die personell am weitesten und besten vernetzten Gruppen darstellen. Doch der Adel hat schlechte Erfahrungen damit gemacht, geistlichen Gemeinschaften zu viele politische Freiheiten zuzugestehen. Es gibt einen von sämtlichen edlen Häusern anerkannten, unausgesprochenen Konsens zu diesem Thema:

1.: Man lässt Geistliche grundsätzlich nicht in Führungspositionen gelangen, wenn man ihnen theokratische oder ähnlich wilde Reformideen unterstellen muss.

2.: Der Charakter der Orden und Glaubenshäuser als öffentliche, reichstreue Einrichtungen muss stets unangetastet bleiben.

3.: Die Loyalität dieser Gemeinschaften zum Staatsoberhaupt darf dessen Herrschaft zwar durchaus festigen, dient aber vordringlich der politischen Neutralisierung des Klerus.

Der Adel besitzt durchaus genügend Einfluss, um diesen unausgesprochenen Konsens ohne viel Mühe durchzusetzen. Dies ist nicht zuletzt der ausgleichenden Politik des Hochfürsten und diversen externen Feindbildern mit abschreckender Wirkung zu verdanken. (Zu nennen wären hier die Riasinaten und deren yddländische Sympathisanten, die flutländische Wackelpolitik der letzten Jahrzehnte und die de-facto-Herrschaft durch eine "klösterlich" organisierte Magierakademie im verfeindeten Anrea.) Die Glaubenszentren sind also nicht der Ort, um nach politischen Schwerpunkten und Parteibildung Ausschau zu halten, sofern wir das Kloster der Danasonbrüder ersteinmal außer Acht lassen. Es wird uns bei der Charakterisierung des hochfürstlichen Machtzentrums wieder begegnen.

Wenden wir uns also den Höfen der lokalen Oligarchen zu. Ihre Netzwerke sind zwar nicht so weit verzweigt wie die der Glaubenszentren, können aber immernoch im gesamten Reich aktiv werden. Zudem sind sie hierarchisch auf eine Person(-engruppe) ausgerichtet, weniger auf Ideen oder allgemeine Rechtsvorstellungen. Steht also jeder lokale Oligarch im Zentrum einer jeweils eigenen politischen Fraktion? Nein. Obwohl die Struktur jedes Einzelnen der zehn semi-autonomen Verwaltungsbezirke des Reiches dazu in der Lage wäre, eine solche Parteibildung zu verursachen, hat der historische Zufall ein anderes Ergebnis hervorgebracht. Sehen wir uns also die einzelnen Regionen und die Rolle ihrer lokalen Oligarchen an:

Die folgenden Abschnitte bedürfen aufgrund von Hintergrundlücken einiger Ergänzungen. Um mit dem Spielgeschehen Schritt zu halten, wird auch eine regelmäßige Aktualisierung vonnöten sein. Das hier stellt den Versuch dar, den Stand Ende 2016 abzubilden:

Die Ostprovinz

Die beiden Baronien der Ostprovinz, Drachenport und Tinar, sind wesentlich mehr von rein individuellen Vasallenbeziehungen und soldbasierten Dienstverhältnissen bestimmt, als von Sippenbündnissen oder Eheverbindungen zwischen edlen Häusern. Zur Zeit hat die Ostprovinz keine Art von Herrschaftstradition und auch kollektive Sippe-zu-Sippe-Verpflichtungen haben sich noch nicht etabliert.

Die Barone haben direkten Zugang zu den wichtigsten Geldquellen (die märchenhaften Zolleinkünfte aus dem Tinarischen Kanal und die ebenfalls enormen Marktgebühren der beiden Hafenstädte) und großen Entscheidungsspielraum beim Abschließen von Lehensverträgen. Damit sind sie in der Position, vor Ort keine nennenswerten Machtfaktoren neben sich selbst ins politische Geschäft einkalkulieren zu müssen. Die guten Beziehungen in die Kernlande sind nichts desto weniger wichtig für die Ostprovinz, da gerade im Krisenfall die Unterstützung durch das Reich und die Entsendung von Truppen unabdingbar wäre. Außerdem benötigt die Ostprovinz neben neuen Siedlern, die sich in den teils unbewohnten Landstrichen niederlassen wollen, Priester und Verwalter, die im Sinne des trigardonischen Rechtsverständnisses gebildet sind.

Die Barone haben eine gemeinsame Haustruppe, die Ritter vom Felsenturm, die sie gemeinsam unterhalten und anführen. Die strategischen Herausforderungen der Ostprovinz, die sich zur Landesverteidigung weitestgehend auf die eigenen Möglichkeiten verlassen muss, lassen diese Lösung am sinnvollsten erscheinen.

Der Baron von Drachenport, Algonkin von Weidenhain, hat nominalen Vorrang über den Baron von Tinar und übt als Seneschall die gräfliche Gerichtsbarkeit über die ganze Ostprovinz aus. Sein Ansehen zehrt davon, dass er Knappe des Eroberers und ersten Statthalters der Ostprovinz gewesen ist, in dessen Nachfolge aber eine klügere Politik verfolgt. Das kollektive Gedächtnis gedenkt dem Rittervater auffallend knapp und füllt die Leerstellen mit Algonkins Heldentaten auf. Die Baronin von Drachenport, Riane von Finsterwald, ist eine Hexe mit (in Trigardon) gutem Ruf. Doch sie lässt sich selten zu öffentlichen Anlässen sehen und nimmt am politischen Geschehen des Reiches kaum teil. Auch munkelt man, dass die Ehe der Beiden seit bald sieben Jahren kinderlos sei.

Baron und Baronin von Tinar, Said [...] ibn Said Razuli und Sophie Viviane anh Quellgrund sind demgegenüber deutlich besser in Arbon vernetzt. Die Baronin ist das Sippenoberhaupt der Quellgrunder, einer edlen arbonischen Sippe, die bis vor wenigen Jahren noch in Auflösung begriffen schien, sich seit einer Weile aber verstärkt in der Ostprovinz ansiedelt. Ihr Gatte ist ein Barbar mit königlichen Ahnen. Das bringt ihn oder seine Nachkommen zwar nicht in den Kreis der Edlen, die als arbonisches Stammesoberhaupt in Frage kämen. Doch mit Kindersegen und weiterer Konsolidierung des Hauses kann die fremdländische Abstammung des Barons den Quellgrundern das Prestige verleihen, "königliches Ahnenglück" zu besitzen. Das einzige Kind von Said und Sophie ist wohl vor vielen Jahren den plötzlichen Kindstod gestorben. Da die Baronin nicht mehr in dem Alter ist, noch eigene Kinder zu bekommen, sucht sie eine zweite Ehefrau für ihren Gatten. Obwohl das unüblich ist, hat sie den Segen mehrerer prominenter Geistlicher für dieses Unterfangen.

Man kann davon ausgehen, dass die lokalen Oligarchen der Ostprovinz fest im Sattel sitzen. Ihre Machtzentren sind aber so weit weg vom Kernland, dass sie eine politische Außenseiterposition einnehmen. Die höfische Rangfolge im Umfeld des Hochfürsten ignoriert diese Tatsache jedoch. Dem Rang nach gilt der Seneschall der Ostprovinz als zweiter Mann im Reich (er bekleidet das Amt eines gräflichen Richters und hat zusätzlich ein erbliches Lehen).

Grafschaft Altberg

Der Marschall der Grafschaft Altberg, Adalbert von Katernberg, übt gräfliche Gerichtsbarkeit aus, hat aber kein erbliches Lehen. Sein Amt bekleidet er durch Wahl der altbergischen Grundherren und Ernennung durch den Hochfürsten. Die Grundherrenrechte, die er wirklich selbst besitzt, beschränken sich auf ein (wohl ziemlich reich bemessenes) Ritterlehen. Alle anderen Grundherrenrechte seines Amtes übt er stellvertretend für den Hochfürsten aus. Daher ist es der Hochfürst selbst, der den Grundherrenstatus der edlen bergischen Familienoberhäupter garantiert, nicht der lokale Oligarch. Damit ist der Marschall von Altberg zwar dem höfischen Rang nach der dritte Mann im Reich (diesen Rang teilt er sich mit dem Seneschall von Arbon), kann aber de iure nichts und de facto nur einen Bruchteil seiner Macht vererben. Seine Position hängt davon ab, dass der Großteil der bergischen Edlen seiner Politik zustimmend gegenüber steht.

Der Marschall ist verheiratet und hat mehrere erwachsene Kinder. Das Glück seines Haushaltes steht also außer Frage.

Adalbert von Katernberg kann auf alte und lang erprobte soziale Kontakte innerhalb Altbergs zurückgreifen: Die Bevölkerung Altbergs hat eine ethnische Identität, die sie bezüglich ihrer Namenstraditionen und ihren Konzepten von Familie und Abstammung auch mit anderen "Bergischen" außerhalb Trigardons teilt. Im politischen Kontext des arbonischen Staates meint man mit dem "Stamm der Bergischen" aber zumeist nur die Altberger. Dessen Edle pflegen durchaus eine politische Identität. Obwohl sie keine Sippen im arbonischen Sinne haben, sind sie alle über ein paar Ecken miteinander verwandt. Daher werden sie in ihrer Gesamtheit als (ziemlich ungehorsame) Sippe mit dem Marschall als Oberhaupt angesehen.

Baronie Montrowia

Die Baronin und der Baron von Montrowia, Ian und Munin anh Oni, entstammen einem Inselvolk, das die Arbonier "Montrowen" getauft haben. Diese haben sich in zwei Siedlungswellen (die erste vor ca. 35 Jahren, die zweite vor ca. 15 Jahren) im Tal des Derian niedergelassen. Sie leben in mit den Arbonischen vergleichbaren Sippenverbänden und haben sich trotz anfänglicher bewaffneter Auseinandersetzungen mit ihnen vermischt. Die ähnlichen Vorstellungen von Verwandtschaft und Sittsamkeit machten es relativ einfach, Ehepartner auszutauschen. Dies ist auch zwischen den edlen arbonischen Sippen und der Sippe der Baronin geschehen, so dass sich leicht übersehen lässt, dass sie keine nennenswerte Herrschaftstradition hat.

Munin praktiziert die sogenannte Bardenmagie des Inselvolkes. Ob sie das zur Hexe macht, ist nicht ganz klar. Ihr Gatte erwarb sich im bergischen Aufstand und bei der Montrowischen Plage einen Ruf als Kriegsheld und wurde auch mehrfach Dan. Baron und Baronin haben mehrere gemeinsame Kinder und gelten als glückreich und sittsam.

Die häufige Abwesenheit des Baronenpaars schmälert ihren Einfluss, weil sie mehr Zeit in ihrem Herkunftsland als in Trigardon verbringen. Auch dort haben sie Herrschaftsrechte. Sie hatten aber nie Schwierigkeiten damit, sehr selbstständige und dennoch zuverlässige arbonische und montrowische Verwalter zu finden.

Baronie Harog

Die Baronie Harog wird von Menschen (vorwiegend Arbonier), Zwergen und Hobbitlan bewohnt. Letztere lebten schon seit längst vergessenen Zeiten aufgabenteilig zusammen, mit den Hobbits als Bergbauern und den Zwergen als Almhirten, Kriegern und Handwerkern. Aufgrund dieses engen Zusammenlebens nennt man beide Gruppen gemeinsam "das Kleine Volk".

Sein Oberhaupt, Flint anh Harog, ist eine respektgebietende Persönlichkeit. Nicht nur stellt er bei allen möglichen Gelegenheiten heraus, die Eltern des Heiligen Karoman noch in Windeln gesehen zu haben. Er führt seine Herrschaftsrechte auch auf uralte Traditionen seines Volkes zurück, die ihm zwergische Königswürde verleihen. Wie beim Baron von Tinar befähigt ihn das zwar nicht dazu, arbonisches Stammesoberhaupt zu sein, verleiht ihm aber das Prestige königlichen Ahnenglücks. Die höfische Rangfolge ignoriert jedoch die Königstitel der Alten Reiche. Nachdem die Flutländer alles Kleine Volk aus Flutland vertrieben hatten, musste auch Flint, der sie aufnahm, sich unter den Schutz des Grafen von Arbon stellen. König ist er längst nur noch dem Titel nach, im arbonischen Staat hat er den Rang eines Barons.

Als solcher ist er allerdings ein starker lokaler Oligarch. Manche seiner arbonischen Vasallen verdanken die Anerkennung des edlen Status ihrer Sippen lang zurückreichenden Bündnissen mit dem Kleinen Volk. Unter den eigenen Leuten hat Flint sich aller Rivalen entledigt. Er hat viele Kinder in jedem Alter mit Frauen verschiedener zwergischer Familien. Die nicht mehr zahlreichen trigardonischen Zwerge werden alle als Angehörige seiner Sippe wahrgenommen (man behandelt sie alle mehr oder weniger als Edle, auch wenn sie Handwerker oder Bergleute sind – für das Kleine Volk gelten schlicht andere Regeln).

Eheverbindungen zwischen Sippen von Menschen, Zwergen und Hobbit gibt es nicht und auch zu volksgruppenübergreifenden Vormundschaftsverhältnissen kommt es nur sehr selten. Der religiös begründete und gewohnheitsmäßige Respekt vor dem Kleinen Volk ist groß, gleicht aber die ethnisch bedingte politische Außenseiterposition nicht aus. Dennoch musste man dem Baron seinen letzten Aufstand verzeihen. Er unterlag zwar, wurde aber nicht einfach militärisch besiegt, sondern demonstrierte durch hartnäckigen Widerstand gegen die hochfürstliche Übermacht, dass man mit der Stärke des Kleinen Volkes in ihrem eigenen Land immernoch rechnen muss.

Es sollte nocheinmal verdeutlicht werden, dass es sich dabei um den Konflikt zweier lokaler Oligarchen handelte (von denen einer das Staatsoberhaupt ist). Die Gruppenbildung erfolgte nicht anhand von ethnischen oder ideologischen Bruchlinien. Die meisten arbonischstämmigen Vasallen des Barons von Harog kämpften auf dessen Seite. Es ging nicht um "Freiheit" oder "Unterwerfung" des Kleinen Volkes, sondern um eine von den Aufständischen dynastisch und vasallenrechtlich begründete, einseitige Fehdehandlung (einseitig, weil es aus der Sicht des Hochfürsten keine Fehde, sondern ein illegaler Aufstand war).

Konkret ging es um zwei Fragen:

1.: Wer ist rechtmäßiger Hochfürst?

2.: Verletzt der Graf von Arbon durch seine Ehe mit der Gräfin von Flutland seine Schutzpflichten gegenüber dem Kleinen Volk?

Erst die Erneuerung des Schutzversprechens des Hochfürsten und die Bekräftigung der Treuepflicht des Vasallen brachte das offizielle Ende des Aufstands. Flint musste zwar recht harte Friedensbedingungen hinnehmen, wurde aber zusammen mit seinen Vasallen wieder politisch integriert.

Baronie Garesch

Die Baronie Garesch ist in vielerlei Hinsicht ein arbonischer Archetypus. Der lokale Oligarch, Volkan Sarymor anh Garesch II., führt seinen erblichen Titel und seine Abstammung noch auf die Alten Könige von Gar zurück, was seiner Sippe das Prestige königlichen Ahnenglücks verleiht und seine Nachkommen dazu befähigt, arbonisches Stammesoberhaupt zu sein. Um diese Befähigung zu demonstrieren stellte er sich trotz schlechter Siegchancen zur Wahl, als es zum letzten Mal dazu kam, dass man das Stammesoberhaupt wählen musste. Er unterlag dem heutigen Hochfürsten.

Die Sippe des Barons gehört zu den am besten vernetzten Adelsgruppen im arbonischen Staat. Mit vielen anderen edlen Sippen gibt es Eheverbindungen, in fast jedem Kloster bzw. Orden dient ein anh Garesch, im Kloster das Riason sind es ein paar mehr. Verschiedene anh Garesch pflegen informelle Patronageverhältnisse zu Edlen aus verschieden Sippen überall in Emendons Reich.

Das interne Beziehungsgeflecht in der Baronie ist jedoch deutlich dichter. Einige Vasallen verdanken den edlen Status ihrer Sippe lange zurückreichenden und erprobten Heerfolgeverpflichtungen zur Sippe Garesch (z. B. anh Parvyn), andere haben zwar auch lang zurückreichende Vasallenverbindungen zu ihnen, ihr edler Status reicht jedoch weiter zurück (z. B. anh Caja). Zu sämtlichen Vasallensippen gibt es lang zurückreichende Eheverbindungen. Der Hof des lokalen Oligarchen beherbergt stets viele Sprösslinge aller edlen Sippen der Baronie und gilt als sittsam und glückreich. Der verwitwete Baron hat eine eheliche Tochter und zwei Söhne mit seiner langjährigen Konkubine, Nury Mania Taranis anh Garesch, einer Hexe mit ausgezeichnetem Ruf.

Die geografischen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Garesch sind sehr übersichtlich, was den autokratischen Führungsstil des Barons begünstigt.

Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass auch die anh Garesch über einen längeren Zeitraum eine gewisse politische Außenseiterrolle einnehmen mussten: In der letzten großen kriegerischen Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen des arbonischen Stammes unterlagen die anh Garesch den anh Rhack. Seit dem taten die Sippenoberhäupter der anh Garesch alles dafür, die Vorherrschaft über ihre Vasallen und ihren Herrschaftsbereich nicht zu verlieren. Das hat dazu geführt, dass man sich an Einschüchterung als Mittel des Machterhalts gewöhnt hat und die internen Machtbeziehungen verhärtet sind. Die Barone haben die Sippen ihrer Vasallen sogar daran gewöhnt, dass sie sich ein Mitspracherecht bei ihren Eheverbindungen herausnehmen.

Baronie Arden

Die fruchtbaren Gebiete des rechten Arboufers wurden nach der Niederlage der anh Garesch gegen die anh Rhack vor 41 Jahren (Stand 2016) von verschiedenen siegreichen Tesch-Sippen in Besitz genommen. Die größte davon (die Erlenfelser) nahm den Norden in Besitz.

Unter Denen, die den Süden bekamen, beanspruchte eine Sippe, die sich später anh Arden nannte, Vorrang über alle Anderen. Später bekam Turaljon anh Arden die Grundherrenrechte über den südlichen Teil des rechten Arboufers von Karoman II. als erbliches Lehen, was die Baronie Arden entstehen ließ.

Der erbliche Titel der anh Arden ging in Folge der überraschenden Nachfolge einer Priesterin, Kara Turalja anh Arden, verloren: Nachdem ihr Vater Turaljon und nur drei Jahre später auch ihr Bruder Karoman Turaljon ermordet worden waren, sie sich aber unfähig sah, Rachepflichten gegen die unbekannten Mörder zu vollziehen, "schenkte sie ihr Erbrecht den Göttern" (Sie schlug also ihr Erbe aus um sich allein ihren Pflichten als Priesterin Riamodans zu widmen). Im ganzen Reich nimmt man das als Hinweis darauf, dass es mitunter ein unkalkulierbares Risiko sein kann, einen Priester oder eine Priesterin als Sippenoberhaupt zu haben. Die sonderbare Erbschaftskrise der Sippe Arden wirft jedenfalls bis heute Fragen auf.

Der Erzkanzler setzte sich dafür ein, die Baronie als erbliches Lehen an einen Barbaren zu vergeben: Curgan anh Woronesch, einen Ritter aus Taëria, der zu diesem Zeitpunkt schon freundschaftlich mit den Sippen Rhack, Argaine und Garesch verbunden war, Ardor II. in verschiedenen Feldzügen zwei mal das Leben gerettet hatte (ein drittes Mal war ihm das nicht gelungen) und fortan demonstrative Treue zu Emendon zeigte. Für Kara anh Arden wurde das größte Gut der Baronie, Jardohoven, aus dem Verwaltungsbezirk herausgelöst. Seit dem hält sie die Grundherrenrechte dort als Freifrau und ist nur dem Grafen, nicht dem Baron von Arden untergeordnet. Die höfische Rangfolge behandelt sie aber nicht gleichwertig zu den Baronen und ihre politische Rolle ist damit ebenfalls nicht vergleichbar.

Dem Baron von Arden fehlt der Rückhalt einer eigenen Sippe, doch wahrscheinlich ist er ein gut gewähltes Konkubinat zu einer anh Arden eingegangen, immerhin ist es seit dreizehn Jahren (Stand 2016) in der Baronie ruhig geblieben. Er hat die meisten der Vasallenverhältnisse des vorherigen Barons übernommen. Sein Führungsstil kann nicht besonders autokratisch sein. Sein Eigenland wird im Vergleich zu dem anderer lokaler Oligarchen geringer ausfallen, da man keinem Vorbesitzer seinen Grundbesitz einfach wegnehmen konnte, nur weil Woronesch Baron wurde. Doch die Baronie Arden ist das ertragreichste Weizenanbaugebiet ganz Trigardons und die geografischen sowie wirtschaftlichen Verhältnisse sind noch übersichtlicher als die von Garesch. Der Baron wird also Mittel und Wege gefunden haben, den Nachteil des geringeren Grundbesitzes durch für ihn günstig ausgehandelte Pachtverträge (bzw. simple Erpressung) auszugleichen.

Baronien Rhack, Argaine und Erlenfels

Die lokalen Oligarchen von Argaine und Rhack sind eigentlich keine. Katastrophale militärische Niederlagen und politische Skandale haben in beiden Verwaltungsbezirken zu unklaren Nachfolgefragen geführt, die vor 14 Jahren (Stand 2016) eine provisorische, aber seither stabile Lösung erforderten. In beiden Regionen werden übergeordnete Grundherrenrechte, wie sie anderswo beim Baron liegen, von gräflichen Vögten ausgeübt, die der Hochfürst hin und wieder austauscht. Es handelt sich bei ihnen um Danason-Brüder, die aus pragmatischen Gründen aus den Sippen der anh Rhack bzw. anh Argaine ausgewählt werden. Weil sie ihre Ämter stellvertretend für den Grafen von Arbon (der ja zugleich ihr Ordensmeister ist) ausüben, ist er es auch, der die Grundherrenrechte der edlen Sippen dieser Regionen garantiert.

Zugleich ist er Baron von Erlenfels, was ihn zum einzigen Patron sämtlicher edler Sippenoberhäupter in allen drei Verwaltungsbezirken macht. Demenstprechend werden die beiden gräflichen Vögte nur in spezifischen Ausnahmesituationen als gleichwertig zu den anderen lokalen Oligarchen behandelt. In der Reichspolitik spielen sie kaum eine Rolle.

Ohne einen Blick auf die komplexen Ursachen der Nachfolgeprobleme zu werfen, ist es schwer zu erklären, dass die anh Rhack und die anh Argaine den Erlenfelsern Vorrang zugestehen. Schließlich werden ihre Namen mit königlichen Ahnen assoziiert, deren Abstammung und Herrschaftsrechte noch auf die alten Könige von Gar zurückgeführt werden. Sie haben nicht nur theoretisch die dynastische Befähigung, das Stammesoberhaupt zu stellen, sondern haben es in der Vergangenheit tatsächlich getan. Sämtliche anderen edlen Sippen in den Baronien Argaine, Rhack, Erlenfels und Arden verdanken ihren Status Heiratsbündnissen mit und Heerfolgeverpflichtungen zu einer der beiden Sippen mit königlichem Ahnenglück.

Die "Baronie" Rhack hatte nie einen Baron, sondern war hochfürstliches bzw. gräfliches Eigenland von Ardor I., Karoman II. und Ardor II. Erst seit das Haus Rhack im Erbschaftsstreit in vier verschiedene Sippenverbände zerbrochen ist, nennt man die Region überhaupt "Baronie". Zwei dieser vier Sippen sind inzwischen entrechtet, als Verräter gebrandmarkt und aus dem politischen Leben verschwunden. Ihren Grundbesitz teilten die beiden anderen Sippen zusammen mit dem Hochfürsten unter sich auf. Daher haben die Erlenfelser wertvolles Eigenland nicht nur in der Baronie Erlenfels, sondern auch in Rhack.

In Argaine dagegen beschränkt sich der von den Erlenfelsern erworbene Grundbesitz auf ein paar Rodungen rund um die Einrichtungen der Grenzläufer. Die Argaine haben sich nicht in mehrere Sippenverbände aufgespalten, sondern haben eher das gegenteilige Problem: Sie verharren in einer gewissen Führungslosigkeit, seit das letzte Sippenoberhaupt, Sairan anh Argaine, das Ansehen seiner königlichen Ahnen durch Verrat und Schwarze Künste beschmutzt hat. Die Rechte der Erben von Verrätern können vom Lehnsherrn zwar annulliert werden, aber der Hochfürst hat deutlich signalisiert, dass er das in diesem Fall nicht tun würde. Seit Sairans Tod übt sich sein einziges noch lebendes Kind, Mythram Wulfgar anh Argaine, in religiöser Demut und tritt das Erbe nicht an. Auch eine Enkelin, Phelicia Jura Adriana anh Argaine, stünde als Erbin zur Verfügung; sie erhebt aber keinen offiziellen Anspruch, so lange ihr Onkel sich nicht eindeutig zu einem Erbverzicht durchgerungen hat. Beide sind allerdings noch ledig und haben keine öffentlich bekannten Kinder, signalisieren also auch kein nennenswertes Interesse.

Der Hochfürst hat diese für ihn recht bequeme Situation passiv zur Kenntnis genommen. Die Augen des ganzen Reiches verfolgen genau, ob er das Erbe der Argaine als guter Patron nur schützt und bewahrt, oder ob er sich nicht doch an ihrem Besitz vergreift. Natürlich hat Emendon selbst keine Begeisterung für eine aktive Veränderung der Verhältnisse gezeigt.

In Rhack, Argaine, Erlenfels und auch in Arden haben so ziemlich alle edlen Sippen miteinander irgendwann mal Ehepartner oder Geiseln ausgetauscht, Konkubinate arrangiert, etc. Diese Verbindungen reichen zum Teil weit zurück und sind nie abgerissen. Bis auf die anh Rhack und die anh Argaine entstammen sämtliche Sippen mit Grundherrenrechten sowohl innerhalb als auch in unmittelbarer Nachbarschaft zum Tejadun militärisch erfolgreichen Gruppen von Reiternomaden, die sich im Verlauf früherer Kriege allesamt entweder dem Sippenoberhaupt der anh Argaine oder dem der anh Rhack verpflichtet hatten.

Eine weitere Manifestation dieses starken Netzwerks mit seinen lang erprobten Verbindungen ist die Zusammensetzung der Bruderschaft des Heiligen Danason: Die überwiegende Mehrheit der Brüder und Schwestern entstammt den edlen Sippen dieser vier Verwaltungsbezirke. Was brachte aber den Erlenfelsern den Vorrang in dieser Adelsgruppe? Dies hat auch, aber nicht nur mit den Danasonbrüdern zu tun. Gewiss hatte der Ordensgründer, Ardor anh Rhack II., seinen plötzlichen Tod nicht vorgesehen. Dass sein Stellvertreter, Emendon anh Erlenfels, den Orden nutzte, um die Strukturen der Grafschaft Arbon zu schützen und auszubauen, war eine konsequente Fortsetzung der gräflichen Politik und daher keine Überraschung. Die Kunst bestand darin, dass es ihm viele Jahre lang ohne offenen Widerstand gelang, was nicht zuletzt dem Ruf und der Herkunft der Erlenfelser zu verdanken ist.

Diese waren unter den anderen edlen Sippen der Reiternomaden nicht als Eroberer, sondern als Schlichter zu Vorrang gelangt. Seit je her führten diese Sippen untereinander blutige Kämpfe um Vieh, Wasserstellen, Weidegründe und Sklaven. An verschiedenen Tabuorten, an denen es auch heute noch unter strengster Fluchandrohung verboten ist, zu den Waffen zu greifen, verhandelte man Friedensschlüsse und Waffenstillstandsvereinbarungen.

Eine dieser Sippen schlichtete oft und erfolgreich die Fehden der Anderen. Sie erwarb sich damit den Ruf besonderer Vertragstreue und Rechtsliebe. Diese Sippe wurde mit dem Schutz der meisten Tabuorte der Steppe zwischen Nordern und Argaine betraut. Der wichtigste dieser Tabuorte war der Erlenfels in relativer Nähe zum Arbostrom, nach dem die Sippe sich schließlich benannte. Mit der Zeit räumte man den Erlenfelsern einen Ehrenvorrang ein und gewöhnte sich daran, Verträge zwischen Sippenverbänden nur noch mit dem Sippenoberhaupt der Erlenfelser als Zeugen abzuschließen.

Damit wurden sie zu umworbenen Verbündeten auch für die anh Rhack, welche ihnen die Tributherrschaft über die Sesshaften und Grundbesitz im nördlichen Teil des rechten Arboufers zusprachen. Dies machte sie zur reichsten Sippe des Tejadun, weshalb man ihnen schließlich die Grundherrenrechte über den Großteil der Steppe und das nordwestliche Längstal als erbliches Lehen gab. So entstand die Baronie Erlenfels.

In der Rolle des ehrenwerten Schlichters trat Emendon auch bei allen Verwicklungen auf, zu denen es aufgrund der ungeklärten Nachfolge von Ardor II. und Sairan anh Argaine kam. So gelang es ihm, blutige Nachfolgekämpfe in beiden Baronien und harte Auseinandersetzungen um den vakanten Grafentitel zu verhindern. Von Arbons Adel und Klerus wurde er dann auch für den Rest der ungeliebten Kanzlerherrschaft als Garant von Recht und Sitte empfunden. Dieser Ruf ist bis heute für seine Herrschaftsausübung unverzichtbar. Das Glück seines Haushaltes wird dagegen durchaus etwas ambivalent gesehen, weil er zwar offiziell verheiratet ist, aber de facto keine Ehe führt. Emendon heiratete sehr spät aus politischen Gründen die Gräfin von Flutland, mit der er nie zusammenlebte. Ob ihre Kinder wirklich von ihm sind, kann durchaus bezweifelt werden, denn sie war parallel mit einem anderen Mann verheiratet. Die Meinungen darüber gehen auseinander, ob eine Scheidung von Hochfürst und Hochfürstin wünschenswert wäre, eine Ehe wird jedenfalls nie daraus werden.

Schon in früher Jugend lebte Emendon in wechselnden Konkubinaten mit verschiedenen Priesterinnen der eigenen Sippe, mit denen er mehrere Kinder hat. Für einen Cirkater (der zugleich Sippenoberhaupt ist) kann dieser Lebenswandel durchaus als sittsam gelten, so lange nicht der Eindruck von Sprunghaftigkeit oder Untreue entsteht. Und ob das hier der Fall ist, wird unter der Hand durchaus kontrovers diskutiert, insbesondere weil die Nachfolgefrage des Hochfürsten unklar ist. Seit der Reichsteilung führen die aktuellen Gefährtinnen des Hochfürsten verschiedene hochfürstliche Güter von untergeordneter Bedeutung, ehemalige Konkubinen spielen jedoch keine öffentliche Rolle. Wie viele Verflossene der Hochfürst inzwischen angesammelt hat, ist nicht ganz klar. Der Stammsitz der Sippe beim Erlenfels wird jedenfalls nicht von einer Konkubine, sondern von Emendons Mutter Rikarda Natascha anh Erlenfels verwaltet.

Die zentralen Haushalte, in denen sich das politische Leben und die soziale Vernetzung des Adels von Rhack, Argaine und Erlenfels abspielt, sind

  • neben dem Stammsitz der Sippe
  • und dem Kloster des Heiligen Danason
  • auch Burg Bärenfels,
  • der Hochtempel des Riamodan
  • und Rikaschs Halle (Name spontan erfunden) hinter den Mauern von Argaine.

Diese Haushalte werden von Danasonbrüdern bzw. deren Ehegatten oder Gefährten geführt.

  • Zusätzlich gibt es die Natansjurten (Name spontan erfunden), Emendons beweglichen Haushalt für die Reisehofhaltung, der vom hochfürstlichen Mundschenk, Baruch Deorlaph anh Tesch, (stimmt das?) geleitet wird. Natans Jurte kommt jedoch nicht nur im hochfürstlichen Machtzentrum, sondern im ganzen Reich zum Einsatz.

Das dynastische Problem, dass die Erlenfelser ihre Abstammung und Rechte nicht auf die alten Könige von Gar zurückführen können, löste man mit folgender Argumentation: Emendon ist ein Enkel des Heiligen Karoman. Der Heilige Karoman sei für das "Neue Gar" (Trigardon) von gleicher Bedeutung wie der Heilige Danason für das Alte. Daher befähige eine direkte Abstammung von ihm ebenfalls dazu, Stammesoberhaupt zu sein. Die Tatsache, dass der Heilige Danason in einen Enkel des Heiligen Karoman eingefahren sei (ein mystisches Ereignis, das bei der Gründung der Danason-Brüder eine Rolle spielte), müsse als Designation Emendons durch das Schicksal gewertet werden. Die öffentliche Meinung akzeptierte diese Argumentation nicht sofort, aber zumindest rückwirkend. Seither gilt das Oberhaupt der Erlenfelser neben den anh Rhack, anh Argaine und anh Garesch ebenfalls als mit königlichem Ahnenglück ausgestattet. Ein Nebeneffekt dieser Argumentation ist, dass nun auch die Oberhäupter der Tesch der Corgunath-Linie dynastisch aufgewertet sind, denn sie sind ebenfalls Nachkommen des Heiligen Karoman.

Der Hochfürst ist heute unangefochtenes Staatsoberhaupt, erscheint im eigenen Machtzentrum aber als lokaler Oligarch mit Beißhemmung – die öffentliche Meinung legt an die Rechtstreue des Herrschers höhere Maßstäbe an, als an andere Adelige. Es ist gut vorstellbar, dass Emendon manchmal neidvoll auf die mitunter recht brutalen Methoden der anh Rhack zurückblickt oder sich wünscht, die Danasonbrüder ebenso effektiv zur Einschüchterung verwenden zu können, wie man es der Haustruppe des Barons von Garesch nachsagt. Dennoch hat sich die Regentschaft nach erlenfelser Prägung mit ihrer Einbindung von Rivalen und Herrschaftsbeteiligung von Verbündeten bewährt. Sie ist nicht nur in den drei Verwaltungsbezirken seines Machtzentrums, sondern in Emendons gesamten Reich zum vorherrschenden Politikstil geworden.

Der hochfürstliche Hof

Es war bereits die Rede davon, dass jeder Lehnsherr, Patron und Großgrundbesitzer regelmäßig seine Vasallen und Verwalter besuchen muss, um dort symbolisch seinen Vorrang zu demonstrieren. Der Hochfürst ist hier keine Ausnahme, nur dass er diese Praxis auf das ganze Reich ausgeweitet hat, während seine Vorgänger das politische Leben mehr an ein bis drei zentralen Höfen versammeln wollten. Das Reisefürstentum ist auch aus der Sicht der Vasallen sinnvoll. Schließlich werden die wichtigen Angelegenheiten in der Nähe des Herrschers besprochen und ihm ein guter Gastgeber zu sein, erhöht Ruf und Einfluss. Daher ist das realweltliche populäre Bild vom Gefolge des Reisekönigs als gefürchtetem "Heuschreckenschwarm" irreführend. Wenn der Hochfürst sein Reich durchreist, um an möglichst vielen Orten persönliche Präsenz zu zeigen, passt er die Größe seines Gefolges durchaus den Kapazitäten seiner Gastgeber an. Diese haben sich nicht einfach per Dekret geehrt zu fühlen, sondern bewirten ihn in der Regel auch tatsächlich gern. Der Hochfürst ist für keinen seiner Vasallen ein Fremder.

Zuweilen lässt sich aber auf großes Gefolge nicht verzichten. Dann residiert Emendon jedoch in einem seiner eigenen Haushalte. In Frage kommen dafür (ohne Nordern) die Folgenden:

  • Burg Bärenfels,
  • die Schulen des Ischan,
  • der Stammsitz der Sippe am Erlenfels,
  • die Natansjurten (Name spontan erfunden),
  • das Kloster des Heiligen Danason,
  • das Kloster des Riason,
  • der Hochtempel des Riamodan,
  • Rikaschs Halle in Argaine (Name spontan erfunden),
  • Calebs Halle in Caernadun (Name spontan erfunden),
  • der ehemalige gräfliche Haushalt in Altburg,
  • und die fünf größten Festungen der Grenzläufer.

Zwischen diesen fünfzehn Haushalten wechselt der Herrscher alle paar Wochen hin und her, wenn er nicht gerade bei einem seiner Vasallen zu Gast ist. Der hochfürstliche Hof ist also kein fester Ort, sondern immer da, wo der Hochfürst gerade Hof hält.

Die Hofhaltung des Hochfürsten hat nur noch sehr wenig mit der wirtschaftlichen Organisation einer arbeitsteiligen Hausgemeinschaft zu tun. Dafür sind die jeweiligen Leiter dieser Haushalte zuständig, also Kastellane, Konkubinen, gräfliche Vögte, Äbte, Tempelvorsteher und die Mutter des Herrschers, deren Gesamtheit man die "hochfürstlichen Herdmütter" nennt. Als "Herdmutter" wird seit Alters her jede Hausherrin bezeichnet, bei der das Stammesoberhaupt der Arbonier gerade zu Gast ist.

Sie alle unterstehen dem Vorrang der wichtigsten fünf Hofämter: Der Leitung des Mundschenks, auch "Hüter der Schwelle" (der Natansjurten) genannt, wenn es um die Planung eines hochfürstlichen Aufenthalts geht, der Aufsicht der Kammerherrin über Einnahmen und Ausgaben und, wenn der Hochfürst in militärischen oder gerichtlichen Fragen vertreten werden muss, dem Befehl eines Statthalters, Marschalls oder Seneschalls (je nachdem, in welcher Grafschaft oder Provinz der Haushalt sich befindet – wobei von den Gelisteten einer in Altberg und dreizehn in Arbon liegen).

Selbstverständlich befasst sich der Hochfürst zuweilen auch selbst mit der Verwaltung seines Besitzes. Amtleute, Boten, Schreiber und Verwalter legen je nach ihrem Rang und der Dringlichkeit ihres Berichtes auch persönlich Rechenschaft beim Herrscher ab oder werden dazu aufgefordert, sich für mutmaßliches Fehlverhalten zu rechtfertigen. Doch die Menge an Informationen, die in der Verwaltung des hochfürstlichen Besitzes anfallen, kann von keiner Einzelperson bewältigt werden. Vom Seneschall bis zum Kastellan hat sich also jedes der oben genannten Hofämter eigene Schreiber, Boten, zuweilen sogar eigene Kanzler oder Vögte zugelegt.

Daneben gibt es auch übersichtlichere Hofämter, die nicht mehr als ein oder zwei ihnen zuarbeitende Diener oder Schüler benötigen und auch nicht zwingend von Edlen bekleidet werden müssen. Posten wie der eines hochfürstlichen Herolds, eines hochfürstlichen Beichtvaters oder eines hochfürstlichen Hofkundigen sind prestigeträchtig und einflussreich, ohne direkt einen Stab von Mitarbeitern zu brauchen.

Doch worum geht es "bei Hofe" dann, wenn die Verwaltung seines Eigenbesitzes bei Anwesenheit des Herrschers eine untergeordnete Rolle spielt? Nunja, sicher nicht um Wolfsrudel und Brunnenbau. Die wichtigste höfische Tätigkeit des Herrschers besteht darin, seine Funktionen als Richter und Schlichter auszuüben, also Appellationsfälle zu entscheiden, die ihn als lokaler Oligarch und als gräflicher Richter erreichen sowie "außergerichtliche" Einigungen zwischen Parteien herzustellen, die ihn als Schlichter angerufen haben. Mehr dazu in diesem, diesem und in diesem Abschnitt. Solche Fälle haben fast immer eine nennenswerte politische Tragweite und sind von öffentlichem Interesse. Schließlich sind sie nicht zum ersten Mal verhandelt worden, wenn sie den Hochfürsten erreichen. In der Regel haben beide Parteien ihren Fall gut vorbereitet, Zeugen für ihre Sache mobilisiert und nicht selten bereits Fehdehandlungen aufgenommen. Weitere Rechtsakte, wie das Leisten von Vasalleneiden, Ernennungen, Wahl und Weihe von Äbten, etc., werden ebenfalls in Anwesenheit des Hochfürsten vollzogen. Hier tritt der Herrscher als Stellvertreter des Richtergottes und der anderen göttlichen Schutzmächte des Reiches (Weltvater Natan, Heiliger Danason, Heiliger Karoman, Arbo und weitere, je nach Situation verschiedene Götter, Halbgötter und Heilige) auf. Die höfische Inszenierung stellt die Sakralität des Staatsoberhauptes bei solchen Gelegenheiten ganz ins Zentrum des Geschehens.

Eine weitere Funktion des Hofes ist die politische Beratung, die sowohl in ritualisierten Formen, als auch informell stattfindet – und zwar permanent. Sowohl vor, als auch hinter den Kulissen kommt es zu intensiven Lobbytätigkeiten. Bei der Vergabe von Posten und Rechten, diplomatischen Schritten und militärischen Entscheidungen kann der Hochfürst keine einsamen Entscheidungen treffen. Recht und Sitte weisen ihm zwar die Macht eines sehr aktiven Regenten zu, der über Krieg und Frieden, Bündnisse mit Barbaren und Personalien im Eigenbesitz letztlich selbst entscheiden muss. Aber die Frömmigkeit gebietet, dass er sich intensiv mit den wichtigen Repräsentanten der Geistlichkeit berät und vor besonders weitreichenden Schritten die Omen befragt.

Vielleicht noch wichtiger sind die vasallenrechtlichen Gepflogenheiten. Die Verpflichtung seiner Vasallen zu "Rat" ist fast eine Art institutionalisiertes Mitbestimmungsrecht. Der Hochfüst muss sich zwar nicht dem Rat seiner Vasallen entsprechend verhalten. Aber wenn er eine Entscheidung trifft, ohne sich vorher beraten zu lassen, gilt er als schlechter Patron. Wenn diese Entscheidung dann sogar zu Lasten eines Vasallen ausfällt, kann dieser zu der Bewertung gelangen, dass der Hochfürst seine Schutzpflicht verletzt hat. Summiert sich dieser Effekt, kann der Herrscher sich rasch mit passivem Widerstand, Fehde oder gar einem Aufstand konfrontiert sehen (so geschehen beim Aufstand des Kleinen Volkes).

Daher holt er sich stets zu allen seinen politischen Projekten den Rat von den Vasallen ein, die davon unmittelbar betroffen sind, die einen besonderen Sachverstand zum Thema haben und die das angenommene Meinungsspektrum in Adel und Klerus ungefähr abbilden. Dies geschieht, wie erwähnt, sowohl hinter den Kulissen, als auch in öffentlich, Letzteres in Form von Stammesthing, Heerversammlung und Synode. Entscheidet sich der Hochfürst dann (im Rahmen seines rechtlichen Kompetenzbereichs) gegen die bei diesen Anlässen vorgefundene öffentliche Meinung, hat er absolut das Recht dazu. Doch wenn diese Entscheidung zu Misserfolg führt, schwindet der Glaube an sein Glück und an seine Befähigung, richtige Entscheidungen zu treffen. Und einige von Emendons Vorgängern wurden in solchen Situationen früher oder später ersetzt, ohne ihren natürlichen Tod abzuwarten: Ardor I. wurde heimlich ermordet, Wastan und Phosphoros wurden abgewählt, nur Karoman II. und Ardor II. starben auf dem Schlachtfeld, wobei auch Karoman II. dort einem Mord zum Opfer fiel.

Bislang hatten Emendons wesentliche politischen Handlungen jedoch immer die breite Unterstützung wenigstens des arbonischen Adels und Klerus. Ohne Not fasst Emendon keine heißen politischen Eisen an, immerhin gab es beim Vor- und Nachspiel des Endes der Kanzlerherrschaft und der kaum vier Jahre später folgenden Reichsteilung bedrohliche Krisen zu überstehen.

Die höfische Inszenierung der politischen Beratung folgt etwas anderen Leitbildern, als die Inszenierung der Rechtsakte. Auch hier steht der Hochfürst stets im Zentrum. Aber er tritt weniger als Vertreter sakraler Entitäten auf, mehr als liebender Haushaltsvorstand. Die meiste Zeit bemüht man bei Hofe die Fiktion vom Reich als Haushalt, die auch bei allen anderen Grundherren begegnet (mehr dazu in den Abschnitten 2. 5 und 6. 2. 4. Daher versucht man an der fürstlichen Tafel, beim Gebet, bei Begrüßungs- und Abschiedsgesten, etc. gleichzeitig eine familiäre Atmosphäre aufrecht zu erhalten und die Ordnung des Reiches durch die Rangfolge der Anwesenden symbolisch abzubilden. Dabei ist es zu einer Aufteilung in drei Kategorien von Herrschernähe gekommen:

  • Diejenigen, die keine Vasallen, geweihte Priester oder Cirkater sind, sind am "weitesten weg" vom Herrscher,
  • Vasallen, geweihte Priester und Cirkater sind nochmals unterteilt in
    • Jene, die zu den "Großen" gehören und
    • Jene, die es nicht tun.

Bei allen nennenswerten Anlässen sind die Großen im wörtlichen Sinne dem Hochfürsten näher, als die anderen Vasallen und diese sind ihm näher als der Rest.

Wer sind diese Großen? Es handelt sich bei ihnen um die lokalen Oligarchen (in der Regel ohne die gräflichen Vögte von Rhack und Argaine), den Abt des Klosters des Riason und den Tempelvorsteher des Hochtempels des Riamodan (oder die Tempelvorsteherin – wie heißt er oder sie?); auf den haushaltsführenden Leiter des Klosters des Heiligen Danason wird in Anwesenheit des Hochfürsten verzichtet. Zusätzlich gehören die fünf wichtigsten Hofämter und unter gewissen Umständen auch die arbonischen Richter des Tribunals zu den Großen. Es handelt sich also um einen Personenkreis, der Machtverhältnisse und Meinungsspektrum des gesamten Reiches repräsentieren können sollte. Die Großen befinden sich nicht nur räumlich in größter Nähe zum Hochfürsten, sondern vollziehen auch symbolisch Handlungen, die mit persönlicher Nähe zum Haushaltsvorstand assoziiert werden: Der Seneschall deckt für den Herrscher ein, der Mundschenk reicht ihm Speisen und Getränke, der Marschall sattelt sein Pferd, der Dan (falls Arbonier) tritt als sein Leibwächter auf, die Kammerherrin legt ihm den Mantel um, etc., pp. (Mehr dazu hier.)

Es kommt allerdings sehr selten vor, dass alle der Großen wirklich an einem Ort versammelt sind. Der Eine übernimmt in der höfischen Repräsentation hin und wieder auch mal die Aufgaben des Anderen. Auch lassen sie sich regelmäßig von Personen mit Rang und Namen aus dem eigenen Umfeld, bevorzugt nahen Verwandten, vertreten. Durch solche Vertreter können die Großen auch komplett symbolisch verkörpert werden. Ein Sittenbruch wäre das nur, wenn die Vertretung zur Gewohnheit wird oder der Vertreter keinen ausreichenden Rang hat – einen Knappen oder Akoluthen würde man nicht akzeptieren.